Türkei: Gebremster Kampf gegen IS

Das türkische Parlament soll heute das Militär ermächtigen, Truppen nach Irak und Syrien zu schicken. Angesichts des Vorrückens der IS-Dschihadisten käme das Eingreifen der 500.000 Mann starken türkischen Armee gerade zur rechten Zeit – doch Präsident Erdogan und sein Regierungschef Davutoglu wollen Truppen nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen zum Einsatz bringen.

Morgenjournal, 2.10.2014

Kurden ausgenommen

Zwei Dinge will Präsident Erdogan bei einem türkischen Militäreinsatz gegen die radikalen Islamisten vermeiden: Weder soll dadurch der syrische Diktator Assad gestärkt werden, noch sollen die kurdische PKK und ihr syrischer Ableger stärker aus diesem Konflikt hervor gehen.

Aus der umzingelten Stadt Kobane im Norden Syriens sind auch gestern wieder den ganzen Tag Flüchtlinge in die Türkei geströmt, aus Furcht vor den Terror-Kommandos des so genannten Islamischen Staates. Inzwischen soll die Stadt sich weitgehend geleert haben, berichten Augenzeugen. Nur mehr ein- bis zweitausend kurdische Kämpfer seien in der Stadt verblieben. Sie gehören zur syrischen Schwesterorganisation der PKK.

Und genau die will die türkische Regierung nicht unterstützen. Die von Erdogan angekündigten Pufferzonen sollen deshalb nicht in den kurdischen Teilen Syriens geschaffen werden, sondern dort, wo die Freie Syrische Armee und die so genannte Islamische Front ihre Hochburgen haben, beides Verbündete der Türkei.

Entsprechend verärgert hat der Chef der türkischen Kurdenpartei, Selahattin Demirtas, auf die militärischen Pläne Ankaras reagiert. Demirtas hatte gestern die Grenze überquert und die belagerte Stadt Kobane besucht. Die Türkei lasse die Kurden in Syrien im Stich, meinte Demirtas danach. Diese Politik werde den gerade erst angelaufenen türkisch-kurdischen Friedens-Prozess belasten.

Kampf auch gegen Assad

Doch Erdogan und Davutoglu wollen keine bewaffneten kurdischen Nachbarn an der türkisch-syrischen Grenze. Und sie wollen auch nicht, dass Diktator Assad von der Zerstörung der Dschihadisten profitiert. Deshalb sollen türkische Stützpunkte und der türkische Luftraum der internationalen Koalition nur unter einer Bedingung zur Verfügung gestellt werden: wenn damit neben dem IS auch Assads Armee bekämpft wird. Das gehört allerdings nicht zu den Prioritäten der Allianz, zumindest nicht zu denen der NATO. Somit könnte die angekündigte Kooperation der Türkei doch Theorie bleiben.

Damit bleibt aber auch fraglich, ob die Türkei ihr wichtigstes Anliegen umsetzen kann, nämlich die Schaffung von Pufferzonen auf syrischem und irakischem Gebiet. Im Alleingang kann die Türkei das weder rechtlich noch militärisch bewerkstelligen. Es bleibt abzuwarten, ob die Ermächtigung des türkischen Parlaments mehr bedeutet als nur einen symbolischen Akt.

Übersicht

  • Naher Osten