Kronzeugenregelung wird reformiert

Vor rund einem Jahr ist erstmals in Österreich ein Kronzeuge offiziell als solcher anerkannt worden. Der Mann hatte maßgeblich zur Aufklärung des Telekom-Skandals beigetragen. Seither hat es keinen Kronzeugen mehr gegeben, und mögliche andere große Skandale bleiben somit geheim und unaufgeklärt. Damit sind Rechtsanwälte, aber auch Verantwortliche im Justizministerium unzufrieden. Jetzt wird mit Vorbereitungen für eine Reform begonnen.

Morgenjournal, 10.10.2014

"Wissenschaftliche Evaluation"

Außer dem Telekom-Kronzeugen dürfte es bisher drei Kandidaten geben, die in kleineren Fällen Kronzeugen werden könnten. Drei seien wenig, wenn man bedenke, dass der Nationalrat die "große Kronzeugenregelung" vor knapp vier Jahren beschlossen hat, findet auch Justiz-Sektionschef Christian Pilnacek: "Ich hätte mir mehr Ermittlungserfolge erwartet dadurch, dass Personen ihr Wissen zur Verfügung stellen, das sonst nur auf sehr mühsamem Umweg zu erlangen ist. Und daher haben wir auch eine wissenschaftliche Evaluation in Auftrag gegeben." Das Institut für Kriminalsoziologie wird Staatsanwälte, Richter und Anwälte befragen, warum aus ihrer Sicht nicht mehr Täter ihr Gewissen als Kronzeugen erleichtern.

Jahrelanges Bangen

Mögliche Kronzeugen scheint es durchaus zu geben. Anwalt Stefan Prochaska, der den Telekom-Kronzeugen Gernot Schieszler vertreten hat, erklärt, "Dass ich doch einige Gespräche geführt habe mit Mandanten, die sich überlegt haben, diese Regelung anzustreben". Doch keiner habe sich dann als Kronzeuge angeboten, den Mandanten war es "zu riskant einerseits. Sie müssen vorher gestehen, was sie getan haben, und wissen nicht was draus wird." Das Bangen, ob man den Kronzeugenstatus bekommt, könne nämlich Jahre dauern.

Johannes Zink, Rechtsanwalt in der Kanzlei Held, sagt, einer seiner Mandanten könnte Untreue in Millionen-Höhe aufklären. Gegen diesen Mandanten werde wegen eines Bruchteils des tatsächlich veruntreuten Betrages ermittelt, aber: "Das jetzige System setzt keinen Anreiz für diesen Mandanten, den gesamten Sachverhalt offenzulegen, da er nicht in die Kronzeugenregelung kommen kann." Dabei wäre laut Justiz-Sektionschef Pilnacek in einem solchen Fall sogar eine Kronzeugenregelung denkbar - gegen einen bereits beschuldigten Täter. Aber anscheinend legen die Staatsanwälte die Kronzeugenregelung strenger aus als der Sektionschef.

Anonymer Vertrag

Rechtsanwalt Prochaska wünscht sich nun eine Neuregelung, die eine Art Kronzeugen-Vertrag der Justiz mit vorerst anonymen Tätern ermöglicht: "Indem ein Anwalt das Recht haben sollte, mit einem Staatsanwalt zu sprechen und dem, Staatsanwalt anbieten, dass der anonyme Mandant in dem und dem Komplex die und die Täter mit den und den Taten bereit sei zu überführen. Und wenn dann alle meinen, das sei es wert, dann sollte ein rechtsgültiger Titel geschaffen werden", also ein Beschluss, damit der Kronzeuge, wenn er seine Versprechen einhält, fix mit einer Strafbefreiung rechnen kann.

Was dann noch bleibt, sind die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche der Geschädigten. Deshalb wünscht sich Prochaska auch einen erleichterten Privatkonkurs eigens für Kronzeugen. Spätester Zeitpunkt für eine Reform ist übrigens Ende 2016, da läuft die derzeitige Kronzeugenregelung nämlich aus.