Von Beate Großegger

Kinder der Krise

Sie sind widersprüchlich, dynamisch und ein wenig oberflächlich - jene Jugendlichen, die Beate Großegger in ihrem Buch "Kinder der Krise" beschreibt. Die Leiterin des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien skizziert eine Generation, die - angesichts der schlechten Wirtschaftsdaten in Europa - desillusioniert ist vom politischen System, die planlos durchs Leben jongliert, so gut es eben geht.

Die heutige Jugend: ihre Lebensperspektive ist meist unspektakulär - sie will eine gute Ausbildung genießen, viel Spaß und Freizeit haben, einen guten Job, später auch Familie. Einfache Wünsche, die sich angesichts der Wirtschaftslage aber nicht leicht verwirklichen lassen. Sie, die Jungen, sind die eigentlichen Verlierer der Krise, schreibt Beate Großegger. Das Wohlstandswachstum stagniert, der Generationenvertrag ist brüchig geworden - und selbst mit der besten Ausbildung gibt es für junge Menschen heute keine Jobgarantien mehr. Probleme, für die auch die politischen Entscheidungsträger keine Lösungen präsentieren können. Und die Jugendlichen? Die haben ihre eigenen Strategien entwickelt, um sich durch den Alltag zu lavieren.

Die "Mitschwimmer"

"Jugend, mit der wir heute zu tun haben, die hat sich entschieden, nicht dafür und nicht dagegen zu sein", sagt die Autorin. Junge Leute heute seien sehr gefordert im Alltag, sehr oft auch überfordert. Sie hätten nicht das Gefühl, dass sie "mit Rebellion, mit rebellischem Aufbegehren oder auch systemimmanentem Engagement etwas bewegen könnten."

Wer es nicht besser weiß, der könnte die Jugend von heute für leidenschaftslos überangepasst halten. Wäre da nicht ihr Freizeitverhalten. An den Wochenenden nämlich feiert sie Party, um den Widrigkeiten des Alltags zu entfliehen, schreibt Beate Großegger. Da tauchen sie, die Jungen, ab in die jugendkulturellen Szenen, die bunt und vielfältig sind wie niemals zuvor. Und statt sich für einen Lebensstil zu entscheiden, wird munter ausprobiert.

Desillusioniert vom politischen Alltag

Besonderes Augenmerk widmet Beate Großegger dem nicht immer einfachen Verhältnis zwischen Jugend und Politik. Die breite Mehrheit der jungen Menschen - desillusioniert vom politischen Alltag - stehe den etablierten Parteien eher kritisch gegenüber, schreibt die Autorin. Aber statt selbst aktiv zu werden und für eigene weltanschauliche Positionen auf die Barrikaden zu gehen, klinken sich viele Jugendliche einfach aus.

"Grad in den weniger privilegierten Milieus beobachten wir, dass junge Leute selbstbewusst von demokratischen Recht unpolitisch zu sein, Gebrauch machen", erklärt die Autorin. "Quer durch Bildungsgruppen beobachten wir, dass sie großes Problem mit dem politischen Establishment haben und sich schlecht vertreten fühlen. Sie unterstellen der Politik, Anliegen junger Menschen nicht zu sehen."

Wenn sich junge Menschen selbst auf der politischen Skala verorten, sehen sie sich übrigens mehrheitlich im linken Spektrum beheimatet. Allerdings decken sich die Attribute, was als politisch links oder rechts verstanden wird, nur zum Teil mit den etablierten Vorstellungen, gibt Beate Großegger zu bedenken.

"Rechts ist heute ein Synonym für ausländerfeindlich. Links für kosmopolitisch", so Großegger. In der Jugendforschung spricht man vom Wertesampling: Ähnlich wie in der Musik werden Versatzstücke aneinandergereiht, die sich einer klassischen Zuordnung entziehen. Auch bei ästhetischen Codes wird gemixt. Ein Beispiel: Die rechtsextreme Szene, die sich nicht mehr auf einen Blick in eine Schublade stecken lässt.

Hotel Mama wieder attraktiv

Während sich junge Menschen in Fragen des Stils meist früh von ihren Eltern emanzipieren, bleiben sie als Generation Praktikum oft noch Jahre nach dem Berufseinstieg finanziell abhängig. Weil in Zeiten prekärer Arbeitsverhältnisse Pragmatismus angesagt ist, erlebt auch das Hotel Mama ein Revival.

Beate Großegger scheut nicht vor Pauschalisierungen zurück, um uns die Kinder der Krise zu erklären. Ihr Buch macht dennoch neugierig auf eine Generation, die es den Älteren nicht leicht macht.

Service

Beate Großegger, "Kinder der Krise", Archiv der Jugendkulturen Verlag