Deserteursdenkmal: Lernen aus Vergangenheit

Die Festrede zur Denkmalseröffnung hält die österreichische Schriftstellerin Kathrin Röggla. Sie behandelt die Bedeutung des Denkmals für die nachgeborene Generation. Gestaltet hat das Werk der deutsche Künstler Olaf Nicolai - und ihm war es ein Anliegen, dass es nicht reicht, das Denkmal einfach nur anzuschauen.

Denkmalseröffnung

Künstler Olaf Nicolai (li.) und Bundespräsident Heinz Fischer am Freitag, 24. Oktober 2014, im Rahmen der Eröffnung des Denkmals für die Verfolgten der NS-Militärjustiz am Ballhausplatz in Wien.

APA/GEORG HOCHMUTH

Mittagsjournal, 24.10.2014

Am Wiener Ballhausplatz erhebt sich das Denkmal für die Deserteure: Es hat die Form eines liegenden X und besteht aus drei Ebenen, auf die man wie über Stufen hinaufklettern kann. Ein Tänzer ertastet und ergeht sich zur Eröffnung in Performance die Flächen und Kanten des Denkmals. Und tatsächlich ist es erst, wenn man oben steht möglich, das gesamte Kunstwerk wahrzunehmen. Denn erst dann kann auch man die Inschrift entziffern.

"Es ist ein Gedicht in der Tradition der konkreten Poesie, und die wollte, dass man die Gedichte nicht nur lesen, sondern auch sehen kann - wie ein Bildgedicht - und das ist ein X", erklärt der Künstler Olaf Nicolai. Auf den beiden Balken des Denkmals steht "all" und, wo sich diese kreuzen, "alone". Das Gedicht stelle die "Spannung zwischen Einzelnem und der Gesellschaft" dar. Somit, sagt Nicolai, vereint das Denkmal zwar zwei Dinge, die Denkmale üblicherweise haben - einen Sockel und eine Inschrift. Wobei der Sockel nicht zur Distanzierung, sondern zur Annäherung genutzt werde - um die Inschrift zu lesen.

Lange hat es gedauert

Mit einem Kunstwerk allein kann das Gedenken aber noch nicht erfüllt sein, betont Nicolai. Gerade wenn man bedenkt, wie lange es gedauert hat, die Deserteure auch offiziell zu rehabilitieren. Kathrin Röggla, die die Festrede hält, sagt dazu: "Ich finde es einen Skandal, es ist schon verrückt. Das habe ich nicht ganz verstanden an der ganzen Sache." Darüber hinaus löse das Faktum des Desertierens auch heute noch wenig Akzeptanz aus.

Für Künstler Olaf Nicolai ist die Nicht-Akzeptanz der Figur Deserteurs gerade heute wieder aktuell - und damit meint er die Art und Weise wie Edward Snowden behandelt wird: "Alle beziehen sich auf ihn, aber keiner ist bereit, ihm die elementaren Menschenrechte einzuräumen - die er für uns indirekt eingeklagt hat."

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