Realsatire von Roland Spitzlinger und Julia Draxler

Probier's doch mal mit Korruption

Wollen Sie übers Wochenende vielleicht noch schnell einmal ein bisserl was dazuverdienen? Sagen wir: 300.000 Euro. Oder wäre etwa eine Reise nach Mauritius gefällig? Natürlich kostenlos. Eine Penthouse-Wohnung in bester Lage? Ziemlich günstig.

Wer glaubt, dass dies nur wenigen Auserwählten möglich ist, hat sich getäuscht. Julia Draxler und Roland Spitzlinger haben das Geheimnis von Vettern, Freunderln und Amigos endlich gelüftet. Ihr kürzlich im Riemann Verlag erschienenes Buch trägt den Titel: "Probier's doch mal mit Korruption!"

Institut für Angewandte Korruption

Wien, Innere Stadt. Seit über einem Jahr schon lädt das von Julia Draxler und Roland Spitzlinger gegründete "Institut für Angewandte Korruption" zu einem Stadtrundgang ein. Ziel des Rundgangs ist es, die Teilnehmer in die faszinierende Welt der Korruption einzuführen.

Ein etwa zweistündiger Stadtspaziergang führt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Lehrgangs durch die Wiener Innenstadt. Denkwürdige Adressen stehen am Plan: Bürogebäude, in denen hinter gepolsterten Türen gepackelt und getrickst wurde. Zwischendurch wird der Blick auf luxuriös ausgebaute Dachgeschoße gelenkt, die als Ergebnis einer komplexen Verkettung von Ungereimtheiten gesehen werden können: Ministerien, Ämter, schließlich das Parlament.

Allesamt Schauplätze, an denen der Bergriff der "Unschuldsvermutung" in den vergangenen Jahren strapaziert wurde. Von Hypo bis Telekom, von Eurofighter bis Blaufunk, von BUWOG über Immofinanz bis hin zum Handel mit Staatsbürgerschaften.

"Es wohnen ja nicht alle in Wien. Und es können nicht alle bei der Tour mitmachen", erklärt Spitzlinger. "Da bietet sich natürlich ein Buch an. Das kann man überall kaufen, und seinen Freunden schenken. Nichts ist langweiliger als ein Platz an der Sonne, wo man dann ganz alleine ist."

Warum eigentlich nicht?

Mit möglichst vielen Menschen möchten die beiden Autoren ihre Erkenntnisse und Geheimnisse teilen. Die Durchflutung sämtlicher Lebensbereiche mit Demokratie soll auch beim Thema Korruption nicht halt machen.

Spitzlinger: "Es ist ein satirisches Buch, wobei wir immer dazu sagen, es ist eine Realsatire, wir erfinden ja nix. Deswegen ist es uns darum gegangen, dass wir diese Beispiele auch immer so darstellen, dass sich die Leserin und der Leser auch wirklich überlegen muss, würde ich das selber machen? Wenn es Beispiele sind, wo man sich denkt: Ja, warum nicht, und eigentlich schade ich ja nicht wirklich jemandem, und das wäre dann genau der Punkt, wo wir die Leserinnen und Leser haben wollen. Erst dann überlegt man sich was Korruption ist, wo es herkommt, was man dagegen tun kann."

Historische Exkurse und brauchbare Ratschläge

Viele weitere Beispiele machen den Leserinnen und Lesern Appetit auf mehr. Das peinlich genau recherchierte Buch ist mit insgesamt 1032 Quellenangaben gespickt und lädt - dank des satirischen, aber niemals zynischen Schreibstils - zum Weiterlesen ein. Historische Exkurse über den Umgang mit Korruption bei den alten Persern, Griechen und Römern sind genauso zu finden, wie brauchbare Ratschläge für den Aufbau von Netzwerken. Beim Freunderl-Gewinnen zum Beispiel gilt es, die Dreipunkteregel zu beachten, eine altbewährte Stasi-Methode.

Draxler: "Das erste ist, Überzeugungsarbeit zu leisten. Dass wirklich beide Parteien der festen Überzeugung sind: Das ist ein super Idee, ein super Plan." Zweitens gehe es darum Bedürfnisse zu befriedigen: "Der perfekte Plan ist der, wenn beide durch diesen korrupten Deal genau das kriegen, was sie sich schon immer gewünscht haben. Das heißt: Man muss das vor allem von sich wissen, als auch vom andren. Was sind die Vorlieben, und was wollte die Person schon immer haben?" Der dritte Punkt wäre Erpressung bei Problemen, so die Autorin. Förderlich sei, wenn beide Seiten bereits betroffen sind, zudem Gemeinsamkeiten wie Feiern, Extremsituationen oder der gemeinsame Bordellbesuch.

Beispiele aus Finanz, Bauwesen oder Fußball

Tipps und Tricks bei der Karriereplanung, nachahmenswerte Fallbeispiele aus den Bereichen Finanzwirtschaft, aus dem Bauwesen, der Pharmaindustrie, natürlich der Rüstungsindustrie und nicht zuletzt aus der Welt des Fußballs werden vorgestellt. Praktische Hinweise, wie Schwarzgeld im Schongang weiß gewaschen werden kann, fehlen natürlich auch nicht.

Spitzlinger: "Ja, das Wettgeschäft wäre eine Möglichkeit. Da empfehlen wir zum Beispiel Fußballwetten. 1, 2, X, Sieg, Niederlage oder unentschieden, am besten sollte man sich ein Spiel suchen, wo die Quoten relativ gleich verteilt sind. Und dann setzt man einen Betrag, jeweils zu einem Drittel, auf den jeweiligen Ausgang des Spiels. Dann gewinnt man ganz sicher, man verliert aber auch ganz sicher. De facto kommt dann raus, dass man ein paar Prozent Verlust hat, weil die Quote nie ganz gleich ist, aber man hat dann blütenreines Geld und kann dem Finanzamt zeigen, wo das Geld herkommt."

Alles keine Hexerei

Der alte Schmäh, ein mäßig florierendes Restaurant zu betreiben und fiktive Speisen und Getränke zu verbuchen geht natürlich immer noch. Die Gründung einer Briefkastenfirma sei übrigens keine Hexerei: Im Internet geht das innerhalb von zehn Minuten. Preise und Destinationen, angefangen von günstigeren auf den Seychellen bis hin zu teuren in Dubai, finden sich im Buch auf Seite 242. Das Institut für angewandte Korruption empfiehlt übrigens die britischen Jungfern-Inseln. Da gibt es das beste Preis-Leistungsverhältnis.

Jenen Leserinnen und Lesern, die bei der Lektüre des Buches zwar Geschmack an Korruption gefunden haben, aber immer noch von vordergründigen moralischen Bedenken gequält werden, kann geholfen werden.

Etwas zutiefst Menschliches

"Der moralische Aspekt ist uns wirklich ein besonderes Anliegen, dass die Leute wirklich glücklich korrupt sind", so Draxler. Viele Leute denken, Korruption sei unmoralisch und unsozial. Aber genau das Gegenteil sei der Fall: "Sie können Korruption gar nicht allein begehen. Sie brauchen immer mindestens einen Partner." Dann gebe es noch das schöne Zitat: "Korruption ist kein One-Night-Stand, sondern eine Ehe. Und in 90 Prozent kennen sich die Korruptionspartner schon mehrere Jahre."

Korruption sei etwas zutiefst Menschliches, so Draxler. Und in einer durch und durch ökonomisierten Gesellschaft bleibt für essentielle Werte wie Vertrauen, Freundschaft oder Familie ohnedies immer weniger Platz.

Draxler: "Was für mich schon ein wahnsinnig positiver Aspekt ist, ist dieses Soziale und auch das Gemütliche, was mir als Wienerin sehr entgegenkommt, weil ich eben schon finde, dass, wen es so um sachliche Jobvergabe geht, ein unglaublicher Stress besteht. Und ich hab 500 Millionen EU-Bürger als potentielle Konkurrenten, die wahrscheinlich alle mehr Studienabschlüsse haben als ich und mehr Sprachen sprechen und das alles für viel weniger Geld machen würden als ich und ich finde diese Idee schon sehr nett, dass einfach klar ist, ich hab einen fixen Job, ich verdiene genug, und das mach ich alles noch mit meinen Freunden, oder meiner Familie zusammen, das finde ich einen wahnsinnig schönen Aspekt daran."

Sollte trotz Einhaltung sämtlicher Tipps dennoch einmal ein überengagierter Staatsanwalt in die Suppe spucken, haben Julia Draxler und Roland Spitzlinger in ihrem Ratgeber vorgesorgt. Da empfehlen die beiden Autoren eine geschickte Kommunikationsstrategie aus: viel positiv denken ...

... gepaart mit dem Querverweis, dass die anderen schuld sind ...

... um schließlich den Blickwinkel auf höhere moralische Ziele oder Instanzen zu lenken.

Service

Julia Draxler und Roland Spitzlinger, "Probier's doch mal mit Korruption! - Die Erfolgsgeheimnisse der Vettern, Freunde und Amigos", Riemann Verlag