Wim Wenders Hommage an Sebastiao Salgado

Das Salz der Erde

Wen der deutsche Filmemacher Wim Wenders verehrt, dem widmet er einen Film. Das gilt für Menschen und auch für Gebäude. 2011 hat er über die deutsche Tänzerin und Choreografin Pina Bausch die 3D-Dokumentation "Pina" gedreht, in "Kathedralen der Kultur" hat er der Berliner Philharmonie ein Denkmal gesetzt und jetzt also "Das Salz der Erde", ein Porträt des brasilianischen Fotografen Sebastiao Salgado.

Salgado gilt als einer der großen sozial engagierten Fotojournalisten. Von der Hungersnot in der Sahelzone bis zum Völkermord in Ruanda - Salgado war mit seiner Leica mit dabei und brachte Schwarzweißbilder mit, die in ihrer tragischen Schönheit beeindruckten aber auch verstörten. Für sein Porträt des brasilianischen Fotografen hat Wim Wenders dessen Sohn Juliano Ribeiro Salgado als Co-Regisseur mit ins Boot geholt. Gemeinsam haben sie versucht, das abenteuerliche Leben des Sebastiao Salgado in 110 Filmminuten zu packen.

Ein Blick zurück in die Menschheitsgeschichte

Das Bild einer Goldmine in Brasilien. Ein riesiger künstlicher Krater und Tausende Menschen, die versuchen, die steilen und schlammigen Hänge hinaufzuklettern. Es war das erste Foto, das Wim Wenders von Sebastiao Salgado in Händen hielt, - und prompt kaufte. Das ist mehr als zwanzig Jahre her und seitdem hängt es zusammen mit einem zweiten Foto Salgados, dem Porträt einer blinden Tuareg, direkt über Wenders Schreibtisch. Die Reportage über die brasilianische Goldmine entstand 1986 und war eine Erfahrung von einer ungeheuren Urkraft, erinnert sich Sebastiao Salgado im Film.

Alle Haare seien ihm damals zu Berge gestanden, so Salgado, als er erstmals einen Blick in diesen Krater geworfen habe. Keine Motoren waren zu hören, nur das Gemurmel von 50.000 Menschen und der Klang körperlicher Arbeit. Wie ein Blick zurück in die Menschheitsgeschichte sei das gewesen, zum Bau des Turms von Babel und der ägyptischen Pyramiden.

Halbreflektierender Spiegel

Wenders konfrontiert Salgado mit seinen Bildern und entlockt ihm intensive Erinnerungen. Und es ist ein großes Glück, das Salgado nicht nur über das sprichwörtliche fotografische Gedächtnis verfügt, sondern auch Geräusche, Gerüche und Gefühle augenblicklich wachrufen kann. Dabei sieht er den Zuschauer mit eindringlichem Blick an.

Geschuldet ist der einer genialen Idee Wenders: Er hat Salgado nämlich über einen halbreflektierenden Spiegel gefilmt, auf den gleichzeitig auch das jeweilige Foto Salgados projiziert wurde. Der Blick Salgados, der da das Kinopublikum trifft, ist also der, mit dem der Fotograf ganz in seine Erinnerungen versunken, die eigenen Abzüge betrachtet.

Von der Weltbank zu Magnum

Was Wenders aus dem Off beisteuert, sind die biografischen Eckpfeiler zu Salgados Leben: Studium der Wirtschaftswissenschaften in Sao Paulo und Paris, Heirat mit der Architekturstudentin Lelia Wanick, ein viel versprechender Job bei der Weltbank in London und dann der Ausstieg. Die wahre Berufung, das sind Sozialreportagen, die ihn um die ganze Welt führen.

Er bereist Angola und Mozambique, wird Magnum-Fotograf und kehrt nach Südamerika zurück, wo sein Buch "Die anderen Amerikas" entsteht. Weitere Bildbände behandeln die Hungersnot in der Sahelzone und die Welt einfacher Arbeiter rund um den Erdball. Die Bilder sind schwarzweiß, umwerfend schön komponiert, außerdem ist Salgado ein Meister darin, aus schwierigen Lichtverhältnissen überwältigende Stimmungen zu überzeugen.

So schön sind seine tragischen Bilder, dass ihm Susan Sontag in einem Essay eine Verklärung von Armut und Leid vorwarf. Dabei ist Salgado einer und das kommt in "Das Salz der Erde" immer wieder zur Sprache, der wochenlang eng mit den Menschen zusammenlebt, die er fotografiert. Auch wenn die Bedingungen kaum auszuhalten sind, wie 1994, als es in Ruanda zum Völkermord der Hutu an den Tutsi kam.

Damals sei er Zeuge einer riesigen Fluchtbewegung geworden. Auf einer Strecke von 150 Kilometern nichts als Leichen. Als er schließlich abreiste aus Ruanda habe er an nichts mehr geglaubt, so Sebastiao Salgado.

Natur statt Leid

Seit damals hat sich das Augenmerk Salgados verschoben. Von den Krisenregionen der Welt hin zu den letzten unberührten Flecken der Erde. Naturlandschaften und indigene Völker sind es, die der brasilianische Fotograf jetzt besucht. Begleitet wurde er dabei in den letzten Jahren immer wieder von seinem Sohn, dem Dokumentarfilmer Juliano Ribeiro Salgado. Auch Wim Wenders selbst wollte bei zwei Expeditionen Salgados mit von der Partie sein, musste dann aber krankheitshalber absagen. So sind einzig die beeindruckenden Filmdokumente von Salgado-Sohn in "Das Salz der Erde" eingeflossen.

Herausgekommen ist so ein bild- und erinnerungsmächtiges Werk, das zu Recht in Cannes mit dem Spezialpreis ausgestattet wurde. Wenn der Film Schwachstellen hat, dann dort, wo Wenders Off-Kommentare zu salbungsvoll geraten und zu erklären versuchen, was die Bilder schon lange und viel eindrücklicher erzählt haben.