Fotomystik von Rinko Kawauchi

Den Alltag so zu fotografieren, als wäre immer ein Tor offen in eine mystische Parallelwelt, damit hat sich die japanische Fotografin Rinko Kawauchi einen Namen gemacht. Ihre Fotoserien zeigt das Kunst Haus Wien unter dem Titel "Illuminance" (Intensität des Lichts).

Die Künstlerin gilt auch als Haruki Murakami der japanischen Fotografie.

Morgenjournal, 20.3.2015

Ein Säugling, an dessen Kinn ein Tropfen Muttermilch klebt, drei Tauben über einer schillernden Wasserfläche und sich drängende Goldfische in einem Plastikbeutel. Fragmente des Alltags, aber auf märchenhafte Weise in Szene gesetzt. Durch Unschärfen, Überbelichtung oder einen leicht abgehobenen Farbstich. "Viele haben mich deshalb schon gefragt, ob ich Drogen nehme. Nein, tue ich nicht", sagt Rinko Kawauchi. "Wenn ich in der Wirklichkeit besondere Farbkombinationen oder Lichtverhältnisse entdecke, falle ich einfach in eine Art Trance. In diesem hochkonzentrierten Zustand fotografiere ich dann wild drauf los. Ich kippe richtig in diese andere Wirklichkeit hinein, die meinen Bildern nachgesagt wird."

Rinko Kawauchi ist Anfang 40 und über ein Grafikdesign-Studium zur Fotografie gekommen. Der Großteil ihrer Bilder ist quadratisch und entsteht mit einer analogen Rolleiflexkamera. Bei der blickt man von oben in den Sucher, was ihr sehr entgegenkommt, weil sie damit weniger auffällt und als Beobachterin fast unsichtbar bleiben kann.

"Fragmente aus der Wirklichkeit lösen"

Eine wesentliche Prägung in ihrer künstlerischen Entwicklung erhielt sie bereits sehr früh: Ein Lehrer begeisterte sie für Lyrik und so begann sie bereits mit zehn Gedichte zu schreiben, etwas, das ihr Fotografieren bis heute begleitet. Rinko Kawauchi: "In der Lyrik löst man auch kleine Fragmente aus der Wirklichkeit. Jedes Wort ist ein Bild, und die werden auf eine ganz eigene Weise verbunden. So sehe ich auch meine Fotos, nicht als Einzelbilder sondern als Teile einer Serie, die erst geschlossen ein neues Ganzes ergeben."

Ihren Themen widmet sich Rinko Kawauchi oft episch und über eine lange Zeit hinweg. Die Serie "Cui Cui" etwa über das Sterben ihres Großvaters und die Geburt ihres Neffen entstand innerhalb von 13 Jahren und umfasst mehr als zweihundert Aufnahmen. In der Ausstellung ist sie als Diashow zu sehen, ursprünglich wurde dieser Fotoessay, wie alle Arbeiten der Künstlerin, in Buchform veröffentlicht.

Gleich drei Bücher hat sie 2001 zeitgleich herausgebracht. Das war der Startschuss für ihre Karriere, mit der sie die Gegenwartsfotografie gleich maßgeblich beeinflusst hat. Und nicht nur die: "Vor kurzem bin ich Spike Jonze begegnet", erinnert sich die Künstlerin. "Er hat mir erzählt, dass er vor ein paar Jahren eines meiner Bücher in der Bibliothek entdeckt hätte. Meine Bilder hätte er dann als Inspirationsquelle für seinen Oscarerfolg ‚Her‘ verwendet."

Sich das Foto "erwandern"

Dem Dualismus von Leben und Tod spürt Rinko Kawauchi auch im Tier- und Pflanzenreich nach; daneben interessieren sie alte Traditionen. Als sie von einer ritualisierten Form der Brandrodung hörte, die im äußersten Süden Japans seit Jahrhunderten betrieben wird, machte sie sich gleich auf die beschwerliche Reise. "Ich mag den körperlichen Aspekt der Fotografie, so Kauwachi: "Dass man sich die Orte, die man fotografiert, manchmal erst erwandern muss. Die Regionen, die mich faszinieren, sind häufig sehr abgelegen und nicht einfach zu erreichen. Wenn ich dann mit meiner ganzen Ausrüstung unterwegs bin, komme ich mir oft wie eine Leistungssportlerin vor."

Was Haruki Murakami in der Literatur macht, das schafft Rinko Kawauchi mit ihren Bildern, nämlich immer wieder Tore aufzustoßen in ein mythisches Zauberreich. Zu sehen ist ihre Ausstellung "Illuminance" bis 5. Juli im Kunsthaus Wien.

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Kunst Haus Wien - Rinko Kawauchi - Illuminance

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