Griechenland: 100 Tage neue Regierung

Drei Monate nach der Wahl liegt die Syriza-Partei bei der Sonntagsfrage weiterhin deutlich vorne - auch wenn sich der Hype der ersten Wochen gelegt hat. Dabei hatte wohl selten eine Regierung einen so turbulenten Einstand wie die Syriza in Griechenland. Die Mannschaft um Alexis Tsipras übernahm mitten in der Krise, nach einem stark polarisierten Wahlkampf, und dann fanden sie auch noch weitgehend leere Kassen vor. Seit rund 100 Tagen ist sie nun im Amt.

Mittagsjournal, 30.4.2015

Aus Athen,

Unter normalen Umständen würde man sagen: der état de grâce ist nun vorbei. Doch für die Tsipras-Regierung hat es so etwas nie gegeben. Sie muss seit Amtsantritt Krisenmanagement betreiben. Zeit für eine erste Bilanz.

Ein Café in einer Athener Mittelklassegegend. Der Fernseher läuft, die wenigen Gäste blicken immer wieder zum Bildschirm. An einem der Tische sitzt ein Rentner. Selbstverständlich interessiere er sich für Politik, sagt er. Und: mit der neuen Regierung sei er zufrieden: Sie versuchen, so viel wie möglich von ihren Wahlversprechen einzulösen. Einfach ist das nicht, aber man sieht, wie sie sich Mühe geben. Das sind junge, unverbrauchte Leute, die für eine neue politische Kultur stehen.

Andere sind skeptischer, denn die Versuche Griechenlands, eine keynesianische, nachfrageorientierte, Wirtschaftspolitik zu lancieren, scheitert am Widerstand der Eurogruppe: Ich glaube, wir sind am gleichen Punkt wie vorher. Andererseits ist es noch sehr früh, vielleicht sollten wir mit unserem Urteil etwas warten.

Der Bewegungsspielraum der griechischen Regierung ist minimal. Doch zu den wichtigsten Errungenschaften der letzten Monate gehört gewiss die Ernennung eines Staatsministers für Korruptionsbekämpfung. Mit dem Amt betraut wurde ein Staatsanwalt, der als integer, unbeugsam und dienstbflissen gilt. Das muss er auch sein, denn die Vorgängerregierung hat einen Berg an unerledigter Arbeit hinterlassen. Innerhalb weniger Wochen hat der neue Minister an die 30.000 Steuerakten kontrollieren lassen, in 5.500 Fällen wurden seine Leute tatsächlich fündig.

Die Summe der hinterzogenen Steuergelder: rund sieben Milliarden Euro. Eine Vereinbarung mit der Schweiz ist in Vorbereitung, und die sogenannte Lagarde-Liste, die die Vorgängerregierungen verschwinden lassen wollten, wird durchleuchtet. Vergangene Woche musste deshalb ein Bauunternehmer und Medienmogul 1,8 Millionen Euro Steuern nachzahlen. Außerdem hat der Staatsminister die Zollkontrollen komplett neu organisiert. Auch hier hofft die Athener Regierung auf satte Einnahmen.

Doch während viele Griechen das Gefühl haben, dass endlich etwas vorwärts geht in ihrem Land, sind die Institutionen skeptisch. Auch die vor einem Monat vorgelegte 26-seitige Reformliste konnte sie nicht überzeugen. Der Athener Journalist Nick Malkoutzis erklärt, weshalb: Die Verhandlungspartner haben völlig unterschiedliche Lösungsansätze. Die griechische Seite zum Beispiel erstellt eine Reformliste und sagt: diese Maßnahmen werden jeweils soundsoviel einbringen. Aber die Geldgeber haben eine andere Herangehensweise. Sie sagen: Wir können nicht nachprüfen, wie viel die Korruptionsbekämpfung bringen kann. Wenn ihr aber die Steuern erhöht, oder die Renten kürzt, können wir genau benennen, wieviel Geld das in die Staatskassen spült.