Postsparkasse von Otto Wagner

Mit der zwischen 1904 und 1906 erbauten Postsparkasse setzte Otto Wagner im historistischen Ringstraßenensemble ein deutliches Statement zugunsten einer modernen, schnörkellosen Architektur. Die Kunstzeitschrift "Parabol" widmet dem ikonischen Wagner-Bau nun eine Sonderausgabe.

Kulturjournal, 26.5.2015

Die Wiener Ringstraße wird in diesem Jahr 150 Jahre alt. Ein Jubiläum, das in Medien und Ausstellungshäusern feierlich begangen wird. Am 1. Mai 1865 eröffnete Kaiser Franz Josef den 5,3 Kilometer langen Boulevard rund um die Wiener Innenstadt. Um einiges später, nämlich 1906, öffnete die neue Zentrale der Postsparkasse ihre Pforten.

Mit dem Pomp vergangener Jahrhunderte feierte sich das Wiener Bürgertum an der Ringstraße selbst. Die Ringstraßen-Palais des neuen Geldadels kopierten den Stil der aristokratischen Residenzen in der Innenstadt. Doch hinter dem Zierrat vergangener Jahrhunderte verbarg sich moderne Ingenieurskunst. Zwischen 1904 und 1906 entstand am Wiener Ring ein Gebäude, das im historistischen Ensemble mit seiner eklektischen Formensprache auffiel: Die Postsparkasse, entworfen von einem der großen architektonischen Visionäre seiner Zeit, von Otto Wagner.

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Otto Wagner – The Splitting Issue. Parabol Se
Parabol - SE3

Sechstel der Aluminiumweltproduktion

"Die Ringstraße zelebriert den Historismus. Mit der Postsparkasse kündigt sich die Ankunft der Moderne an", sagt der Architekturkritiker Oliver Elser. Die Fassade der Postsparkasse gibt sich vergleichsweise nüchtern. Statt Stuckaturen setzen quadratische Marmortäfelchen und Aluminiumapplikationen optische Akzente. Aluminium war ein für damalige Zeiten innovativer Werkstoff. Dazu eine Zahl: Otto Wagner soll ein Sechstel der damaligen Aluminiumweltproduktion für den Bau verwendet haben.

Oliver Elser & Hagen Stier

"Außerdem wurde das Gebäude in einer Rekordbauzeit errichtet. Otto Wagner hat dem Bauherren also handfeste Argumente geliefert, sich für ihn als Architekten zu entscheiden", sagt der Oliver Elser. Auf Einladung der BAWAG P.S.K. gestaltete Elser die aktuelle Ausgabe der Kunstzeitschrift "Parabol", die sich mit Otto Wagners Postsparkasse auseinandersetzt.

Das Ergebnis ist eine Zeitschrift, die wie ein zweidimensionaler Ausstellungsraum funktioniert. Das liegt nicht zuletzt am Format, aufgefaltet haben die Blätter beinahe die Größe eines DIN A1 Blattes. Für die aktuelle Ausgabe wurde der Deutsche Hagen Stier beauftragt, sich Otto Wagners Postsparkasse fotografisch zu nähern.

Im poetischen Sog

"Das ist ein Gebäude, das schon zigtausend Mal fotografiert worden ist. Ich fand es wichtig, dass man verborgene Blicke, die man nicht kennt, sichtbar macht. Uns wurden alle Türen geöffnet und wir gingen auf Entdeckungstour", sagt der Fotograf Hagen Stier. Er hat Bilder geschossen, die fast einen poetischen Sog entwickeln und die öffentlichen, aber auch die nicht zugänglichen Orte des Gebäudes in den Blick nehmen: Schließfächer, Details der Fassade, den berühmten lichtdurchfluteten Kassenraum, Treppenhäuser, die scheinbar ins Nirgendwo führen.

Hagen fotografiert aus mehreren Blickachsen und setzt die Orte in seinen Bildern gewissermaßen neu zusammen. Mit seinen Fotografien imaginiert Hagen also ein Gebäude, das Otto Wagner nie gebaut hat, ein Traumgebilde, das nicht zuletzt darauf hinweist, dass die Fotografie die Wirklichkeit nicht abbildet, sondern vielmehr konstruiert.

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