Roman von Amos Oz

Judas

In jeder europäischen Sprache bedeute "Judas" Verräter, sagt der israelische Schriftsteller Amos Oz. Bezeichne man jemanden als Judas, so spucke man ihm ins Gesicht. Er wolle nun in seinem neuen Roman das überlieferte Bild des Judas in Frage stellen, vor allem die Verbindung zwischen Judas und Jude.

"Man möchte 'Judas', das vielleicht beste Buch von Amos Oz, sogleich noch einmal lesen!"

Auch wenn das ein wenig aufgeblasen klingt: es stimmt schon - es ist das gebrochene Verhältnis zum Israelischen Staat und der Gesellschaft, das ihn beschäftigt. Gebrochen, weil Oz wie viele seiner Landsleute die friedliche Koexistenz mit den Palästinensern und den Nachbarstaaten im Nahen Osten herbeiwünscht und zugleich weiß, wie stark die Spannungen und Gegensätze in der Region sind. Als Schriftsteller sind seine Möglichkeiten begrenzt, sagt Amos Oz. Keine seiner Figuren könne klüger sein als er, der Autor selbst. Eine Figur kann tapferer sein, abenteuerlustiger, erotischer. Aber niemals intelligenter und humorvoller als der, der sie erfindet.

Der zwölfte Roman von Amos Oz ist eine Art Kammerspiel, mit genau festgelegtem Ort, präzisem zeitlichen Rahmen und reduziertem Personal. Schauplatz im Jerusalem der Jahre 1959/60 ist ein Haus am Rande der Stadt und der Wildnis, nebenan befindet sich ein ehemaliges arabisches Dorf. Die Personen: Schmuel Asch, fünfundzwanzigjährig, der soeben seine Freundin an deren Ex verloren hat und außerdem beschloss, sein Studium abzubrechen. Thema seiner Abschlussarbeit: Judas aus der Perspektive der Juden. Gerschom Wald ist der zweite Protagonist; Atalja Arabanel, dessen Schwiegertochter (was sich erst sehr viel später herausstellt) die dritte Hauptfigur. Sie hat ein Annonce aufgegeben - einem behinderten Mann von siebzig Jahren soll jeden Abend fünft Stunden lang Gesellschaft geleistet werden. Gefragt ist mehr ein Gesprächspartner als ein Helfer, der Umstand, dass von vornherein um schriftliche Geheimhaltung über die Tätigkeit gebeten wird, macht die Sache von Beginn an mysteriös.

In knappen Strichen, mit winzigen Details und Symbolen verknüpft Amos Oz die existenzialistische Szenerie von beckett-artigen Figuren, die sich bisweilen zu schillernden Protagonisten aus Filmen der Fünfziger Jahre wandeln - mit der politischen Geschichte Israels zehn Jahre nach dem Unabhängigkeitskrieg und der großen Weltpolitik draußen.

Service

Amos Oz: "Judas", Roman, Übersetzung: Mirjam Pressler, Suhrkamp Verlag