Volkskundemuseum - Visionen für die Zukunft

Am Dienstag präsentierte das Volkskundemuseum in Wien sein Programm für den Sommer und den Herbst. Neben einem umfangreichen Ausstellungsprogramm zeigte Direktor Matthias Beitl, dass sich das Haus nicht nur örtlich, sondern auch inhaltlich öffnet. Dabei experimentiert es mit Darstellungsformen.

Freuds Dining Room

"Freuds Dining Room", eine Intervention in der Schausammlung des Volkskundemuseums

VOLKSKUNDEMUSEUM WIEN

Kulturjournal, 30.6.2015

Das Volkskundemuseum steht in der Laudongasse im achten Wiener Gemeindebezirk, im auch sonst sehenswerten barocken Palais Schönborn. Nur es wird wenig beachtet. Einige Zeit gab es den durchaus interessanten Plan das Volkskundemuseum mit dem Völkerkundemuseum in der Neuen Hofburg zusammenzulegen. Letzteres heißt bekanntlich jetzt "Weltmuseum" und aus den Plänen wurde nichts.

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Wiener Volkskundemuseum
Dotdotdot - Open Air Kurzfilmfestival

Alltagskultur beleuchtet

Unter dem Motto "Wir laufen heiß" beginnt im Volkskundemuseum das Sommer- und Herbstprogramm. Es findet in den Museumsräumen und außerhalb, im Schönbornpark, statt. Das kulturwissenschaftliche Museum erforscht die Alltagskultur, in dem es die Stadt zu sich holt und in sie vordringt.

"Wir sind natürlich ein Museum mit einer historischen Sammlung. Aber ein wesentlicher Teil der europäischen Ethnologie als empirische Kulturwissenschaft ist auch die urbane Forschung: Gesellschaft, Entwicklung in der Stadt, Arbeit, Familie Migration. Das sind alles Kernthemen unseres Faches. Ich glaube, wir haben die wunderbare Möglichkeit hier in diesem Museum, mit diesen Themen aktiv zu agieren", erklärt der Direktor des Volkskundemuseums, Matthias Beitl.

"Theatrales Setting" der Ausstellung

Ein Gang durch die jetzige Ausstellung "Klimesch - Das Geschäft mit den Dingen" zeigt, dass das Haus herkömmliche museale Formate neu denkt. Für die Schau hat es das Sortiment des Haushalts- und Eisenwarengeschäfts Klimesch im achten Wiener Gemeindebezirk aufgekauft und ausgestellt. Aber nicht in herkömmlichen Vitrinen, sondern auf Bühnen und Podesten in den Räumen verteilt.


"Mit dem Begriff ‚performative Kulturwissenschaft‘ meinen wir die Vermittlung von Inhalten nicht nur über klassische Formate, wie den Vortrag, das Referat, die Diskussion oder den Workshop", erklärt Direktor Beitl. "Wir kreieren Settings, die theatralen Charakter haben und uns ermöglichen, auf einer sehr niederschwelligen Art und Weise alle Menschen in Diskurse miteinzubeziehen."

Akzente im Herbst

Im Herbst findet eine Ausstellung zu Arbeits- und Lebensbedingungen migrantischer Erntehelferinnen auf süditalienischen Zitrusplantagen statt. Eine andere zeigt jene Möbel, die Anna Freud bei ihrer Emigration nach London mitnahm und untersucht Erinnerungsobjekte in Zeiten der Flucht. Bei der Präsentation einer spätbarocken Weihnachtskrippe können die Besucher die Szenen selbst durchspielen. Besucher sollen im Volkskundemuseum zu Nutzern werden, betont Matthias Beitl: "Es geht um diese Interaktivierung. Es ist der Traum der Museen, interaktiv zu sein und partizipative Programme zu machen. Nur die Praxis der Museen ist schwierig. Da braucht's andere organisatorische Strukturen und an denen arbeiten wir."

Kurzfilmfestival im Schönbornpark

Das Museum öffnet sich nicht nur inhaltlich, sondern auch örtlich: Es bespielt auch den Schönbornpark, in dem im Sommer das Kurzfilmfestival dotdotdot stattfindet. Die Türen zwischen Laudongasse und Park wurden geöffnet, das Museum ist nun auch Durchgangsort. Manche Passanten wären scheu, andere selbstverständlich durchgegangen. Alle hätten positiv reagiert, sagt Beitl.

"Wir realisieren, wie kleinräumig Veränderungen in einer Infrastruktur funktionieren. Das ist ein Phänomen. Das bringt uns dahin, dass wir in unserem eigenen Garten sitzen und unseren öffentlichen Durchgang ethnografisch bearbeiten können (lacht) weil es unterschiedliche Zugänge gibt und das schafft neue Möglichkeiten."

Der alte Name bleibt

Im Zuge der Umbenennung des Völkerkundemuseums in Weltmuseum, habe auch das Volkskundemuseum über einen neuen Namen nachgedacht sagt Beitl: "Aber letztlich würde das, wie es das Wien Museum gemacht hat, auch einer Kampagne bedürfen, die entsprechend aufwendig ist und auch kostet, was wir nicht leisten können. Wir haben ein leichtes Rebranding gemacht aber nur insofern, als wir gesagt haben: 'Wenn man uns kennt und herkommen will, sagt man, man geht ins Volkskundemuseum.' Daher bleiben wir inzwischen bei den Namen Volkskundemuseum, das kennen die Leute. Wir versuchen, diesen Namen neu aufzuladen."

Das alle gelinge mit geringen finanziellen Mitteln, betont Matthias Beitl. Ein Sponsor garantiere zwar finanzielle Unterstützung, doch das Haus bräuchte mehr Geld. Dennoch, die inhaltliche Programmierung hingegen klingt vielversprechend.

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