Shakespeares "Sturm" in Perchtoldsdorf

Stürmisch wird es dieses Jahr bei den Sommerspielen Perchtoldsdorf, im Süden von Wien. Einer der wichtigsten heimischen Regisseure, Michael Sturminger, inszeniert dort Shakespeares Zauberdrama "Der Sturm".

Bühne in Perchtoldsdorf

ORF/KATHARINA MENHOFER-POMPER

Michael Sturminger, der im letzten Jahr unter anderem die Uraufführung von HK Grubers Oper "Geschichten aus dem Wiener Wald" für die Bregenzer Festspiele inszeniert hat und den international beachteten Film "Casanova Variations" mit John Malkovich, ist seit dem Vorjahr Intendant in Perchtoldsdorf.

Kulturjournal, 1.7.2015

"Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind" heißt es in Shakespeares "Sturm", und in Perchtoldsdorf zaubern Windmaschine, Feuerwehrschläuche und Donnerbleche die nötige Traumatmosphäre: Ein bisschen Sand, ein wenig Treibgut, Schwemmholz und eine kleine Aussteigerhütte - mehr braucht es nicht, um die Bühne vor der mittelalterlichen Burgruine in eine raue ferne Insel irgendwo zwischen den Zeiten und Welten zu verwandeln. Hier liegt Prosperos Reich, wo er seit zwölf Jahren verbannt mit seiner Tochter Miranda, dem wilden Caliban und dem Luftgeist Ariel lebt.

"Man spielt im Freien, das heißt man ist den Elementen ausgesetzt: Wetter, Wind, Geräusche - aber auch die Haptik des Außenraumes ist etwas, was im 'Sturm' eine Rolle spielt; das ist Thema und namensgebend", sagt Regisseur Michael Sturminger. "Hier gibt's den Luftgeist, den Sturm, viel vom Wasser ist die Rede. Menschen, die gestrandet sind in der Wilden Natur, sind auf sich zurückgeworfen. Die Rauheit des Lebens in der Natur, in die dann auch diese königliche Familie geworfen wird, ist ein ständiger Kontrast - und das macht einen ganz tollen, eigenen Reiz."

Das magischste und unmittelbarste Medium am Theater sei immer noch die Musik, so Sturminger, der alle 13 Shakespearelieder zum Klingen bringen will. Er hat sich eine talentierte Truppe aus musizierenden Schauspielern zusammengesucht, die ihre Instrumente mitgebracht haben und so entsteht - aus Querflöte, Saxophon, Geige, Akkordeon, Theremin, elektrischer Gitarre und Maultrommel - ein freier wilder Sound von Renaissance bis Pop.

"Verzicht, das größte an Kultur"

Michael Sturminger hat schon in Peter Greenaways Film "Prospero's Books" assistiert, er hat Peter Brooks Version gesehen und viele andere, nicht so gelungene "Sturm"-Umsetzungen. Viele Arbeiten waren ihm zu salbungsvoll, denn Shakespeare sei bei seinem letzten Stück am Höhepunkt seiner Schaffenszeit gewesen. Mit dem Zauberer Prospero, der in Perchtoldsdorf von Andreas Patton verkörpert wird, habe Shakespeare keinen alten Mann, sondern einen kraftvollen und zornigen Menschen gezeichnet, der brennt und sich rächen will, aber aufgrund seiner Intelligenz auf Rache verzichtet.

"Das ist etwas, was wir vielleicht zu den wenigen Leistungen der Menschheit zählen können: immer wieder wenn jemand es schafft, auf Rache zu verzichten, dann hat er die Welt ein bisserl weiter gebracht", betont der Regisseur. "Auszusteigen aus dieser Spirale des 'Ich-tu-dir-das' und 'Du-tust-mir-das' ist wahrscheinlich das größte an Kultur, was die Menschheit geschafft hat."

Zeiten des Umbruchs - damals wie heute

Auch wenn sich diesbezüglich leider nur wenige aktuelle Bezüge zum Heute herstellen lassen - die Zeit der Entstehung des Stückes, war der unseren nicht unähnlich - mit ihren Umbrüchen und Veränderungen, Eroberungen und Entdeckungen neuer Welten. Damals real, heute virtuell.

"In dieser Zeit hat ein Umbruch begonnen, der als die Geschichte der Kolonien zusammengefasst werden kann, der jetzt gerade endet - mit umgekehrten Vorzeichen. Jetzt stranden die Leute mit ihren Booten in die andere Richtung. Jetzt ist es nicht der Prospero, der mit ein bisschen Trinkwasser in einem Schiff sitzt, sondern jetzt geht das in die andere Richtung. Und die, die damals Sklaven waren, kommen jetzt zurück und fragen uns, ob das vielleicht nicht in Ordnung war, ob sie nicht auch ein Recht haben, zur lebenswürdigen Bedingungen zu leben, oder ob man sie mit großen Stacheldrahtzäunen daran hindern will."

Unglaublich vielschichtig ist Shakespeares "Sturm"; die Stückeinführungen vor den Vorstellungen werden ein wenig davon vermitteln. Die Sommerspiele Perchtoldsdorf, die schon seit fast 40 Jahren unter verschiedenen Intendanzen und mit wechselnder Qualität existieren, haben sich in den letzten Jahren, auch dank der Komplettsanierung der Burg in die erste Liga der niederösterreichischen Sommertheaterszene katapultiert. Michael Sturmingen wird wohl noch eine Zeitlang dafür sorgen, dass sie dort bleiben.

Übersicht