Österreich zeichnet rumänischen Autor aus

Mircea Cartarescu zählt zu den wichtigsten Autoren Rumäniens. Seine umfangreiche "Orbitor"-Trilogie, die die Leser in das Seelenleben seines literarischen Alter Ego entführt und zugleich eine Abrechnung mit dem Ceaucescu-Regime ist, machte ihn endgültig zum Star der europäischen Literaturszene. In Salzburg erhält Cartarescu von Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) am Montag den Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur.

Morgenjournal, 27.7.2015

"Die Wissenden", "Der Körper", "Die Flügel": So lauten die drei Teile von Mircea Cartarescus "Orbitor"-Trilogie. Seit letztem Jahr liegt sie zur Gänze - zum Teil beim Wiener Zsolnay-Verlag - in deutscher Sprache vor. "Orbitor" lässt sich mit Blendung übersetzen, und tatsächlich ist man geblendet von den Albträumen, Begierden und mythischen Visionen, die das Werk durchziehen. Ebenso wie der junge Erzähler Mircea mit seiner Heimatstadt Bukarest auf geheimnisvolle Art zu verschmelzen scheint, war auch Mircea Cartarescu mit der literarischen Welt verbunden, die er über 14 Jahre erschaffen hat.

"Wie in einer Liebesbeziehung war es zugleich ein großes Glücksgefühl und eine immense Qual", erinnert sich der Autor. "Ich hatte ständig Angst, meine eigenen Ansprüche nicht erfüllen zu können. Ich habe beim Schreiben keinen Plan gehabt, sondern immer improvisiert und dabei kein einziges Wort gestrichen. Alles musste sofort perfekt sein. Natürlich war das ein qualvoller Prozess."

Vor allem der dritte Band, "Die Flügel", ist auch eine Abrechnung mit der Ceaucescu-Diktatur, eine Revanche an jenen, die seine Jugend gestohlen hätten, sagt Cartarescu. Die große Euphorie nach der Revolution 1989 wich bald der Ernüchterung, als man dahinterkam, dass sich frühere Parteifunktionäre und Geheimdienstmitarbeiter die Macht aufgeteilt hatten. Die Revolution sei ein inszenierter Schwindel gewesen, sagt der Autor. Und immer noch liege das Schicksal in den Händen einer Mafia, die alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringe.

Ein Land im Wandel

Seit Monaten gehen die Behörden nun verschärft gegen Korruption vor - im Visier der Staatsanwaltschaft ist auch Rumäniens Premier Victor Ponta, gegen den ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. Staatspräsident Klaus Johannis - er war offizieller Gast bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele - gilt hingegen als Symbolfigur für den Wandel. Der Rumäniendeutsche hatte sich im vergangenen Jahr bei den Präsidentschaftswahlen gegen Ponta durchgesetzt.

"Rumäniens Ansehen in Europa ist gestiegen. Das liegt zum einen am Wahlerfolg von Klaus Johannis, zum anderen an der neuen Position des Landes in diesem neuen Kalten Krieg, der zwischen Russland und dem Westen ausgebrochen zu sein scheint. Rumänien ist ja nun Teil der NATO-Strategie in Osteuropa. Gleichzeitig läuft trotz aller Korruption auch die Wirtschaft gut. Rumänien ist jedenfalls weit entfernt von der Situation in Griechenland", sagt Mircea Cartarescu.

Trotzdem habe sich das Land noch nicht genug gewandelt, um seinen Schreibstil zu ändern, scherzt Cartarescu. Auch wenn er jetzt Prosa schreibe, stecke immer noch ein Lyriker in ihm. An seinem vielleicht ambitioniertestem Buch arbeite er jetzt gerade, so der Autor: Es soll all die Erkenntnisse enthalten, die er in seinem bald 60-jährigen Leben zusammengetragen hat.

Im Salzburger Haus für Mozart erhält Mircea Cartarescu nun den Staatspreis für Europäische Literatur; Laudator ist einer seiner wichtigsten Übersetzer ins Deutsche, Ernest Wichner.