Die "Cafe Sonntag - Glosse" von Marc Carnal

Forderungen an die Evolution

Ich bin froh darüber, der Krone der Evolution anzugehören, und nicht als Schabrackentapir oder Muschel geboren worden zu sein. Das Menschsein ist unterm Strich recht vorteilhaft, denn Tiere können beispielsweise nicht Klavierspielen oder Radiosendungen moderieren.

Menschen sind einfach klüger als Tiere. Wer behauptet, Tiere seien in Wahrheit viel klüger, weil sie keine Kriege führen oder Regenwälder abholzen, lässt außer Acht, dass Tiere auch keine Opern komponieren oder in den Weltraum fliegen können, russische Hunde und amerikanische Affen vorsichtig ausgenommen.

"Wir" sind also zweifellos das "Best of Evolution" und das Gehirn ist unser schärfstes Tool. Doch bei der körperlichen Hülle hapert es stellenweise noch.

Alleine die Augen! Wie konnte sich ein derart praktischen Sinnesorgan nur als glibberige, verletzliche Kugeln entwickeln, die nahezu ungeschützt in ihren Höhlen wohnen? Eine dicke, durchsichtige, schützende Panzerschicht wäre hier seitens der Evolution dringend zu verwirklichen. Das ist aber nur eine von vielen naheliegenden Verbesserungsmöglichkeiten.

Die Zehen! Und erst die Zehennägel! Völlig nutzlos. Die Evolution möge sie im Laufe der nächsten Generationen zugunsten von flossenartigen Gehflächen wegrationalisieren.
Die Geschlechtsorgane! Nüchtern betrachtet äußerst hässlich. Ich erwarte sofortige Verschönerungsmaßnahmen!

Der Bauch! Die ganzen hübschen Organe können mit einem Degen oder Küchenmesser beschädigt werden - warum nicht die praktischen Rippen bis zu den Knien oder wenigstens zur Hüfte fortsetzen?

Männliche Brustwarzen - weg damit! Man wird sich an die Optik gewöhnen. Das Gebiss! Löchrige Zähne sollen wie Schnittwunden einfach mit ein bisschen Salbe wieder heilen.

Und einen willentlich steuerbaren Ohrenverschluss hätte ich gerne. Augen kann man schließen, aber Ohren? Warum muss man sich bei Störgeräuschen die Finger beziehungsweise Oropax schmutzig machen?

Schließlich die Stimme. Ihre Wirkung überstrahlt nicht selten jene der Optik. Die stolzeste Eiche von Mann verliert erheblich, wenn aus dem Suppenschlitz ein Fistelstimmchen tönt. Dagegen kann ein prächtiges Organ so manchen äußerlichen Makel aufwiegen. Selbst der klügsten Frau lauscht man ungerne, wenn sie ihre Erkenntnisse mit Heidi Klum'scher Entenstimme zu Gehör bringt. Wenn also die Wirkung der Stimme so groß ist, warum ist es nicht auch die Zahl der Menschen, die mit einer angenehmen ausgestattet sind? Auch hier herrscht dringender Handlungsbedarf für die Evolution.

Ich könnte meinen Forderungskatalog noch lange fortsetzen, bin mir aber bewusst, dass die Evolution mich höchstwahrscheinlich nicht erhören wird. Sollte es allerdings entgegen meiner Vermutung doch einen Gott geben und falls dieser "liebe" Gott Sonntagfrüh gerne Ö1 hört, fordere ich ihn hiermit auf, sich endlich einmal nützlich zu machen und seine Schöpfung nachzujustieren.