Eine monumentale Biografie

Roland Barthes zum 100. Geburtstag

Er war einer der kreativsten Köpfe des 20. Jahrhunderts: der französische Soziologe, Linguist und Zeichentheoretiker Roland Barthes. Dieser Tage wäre Roland Barthes 100 Jahre alt geworden. Pünktlich zum Jubiläum legt die Pariser Literaturwissenschafterin Tiphaine Samoyault nun eine monumentale Biographie des großen Dekonstruktivisten vor.

Kontext, 6.11.2015

Tiphaine Samoyaults Opus ist zunächst eine enorme Fleiß- und Recherchearbeit; zudem will die Autorin das Leben von Roland Barthes nicht einfach nur erzählen, sondern zugleich eine Tiefenschürfung vornehmen, interpretierend die Stränge von Leben, Denken und Werk verbinden. Trotz des komplexen Anspruchs liest sich die Biografie erfrischend kohärent.

Jede Biografie sei ein verkappter Roman, hat Roland Barthes einmal gesagt, und wie ein langer Gesellschaftsroman liest sich auch Tiphaine Samoyaults Buch – ein Roman mit traurigem Ende. 1978 stirbt seine Mutter, was ihn in tiefe, anhaltende Trauer stürzt, und nur anderthalb Jahre später stirbt auch Barthes selbst im Alter von 64 an den Folgen eines Autounfalls. Samoyaults Biografie beginnt mit diesem Unfall und endet mit ihm.

Beeindruckend ist, wie souverän die Biografin mit der Fülle an Materialien umgeht, obwohl manches in ihrer Darstellung zu ausführlich gerät. Stellenweise bekommt die biografische Akribie etwas Unheimliches, aber auch etwas Erleichterndes. Denn im Rückblick relativieren sich die politischen und akademischen Wandlungen, Trends und Moden des Geisteslebens.

Das Buch von Tiphaine Samoyault macht aber Lust, Roland Barthes wieder zu entdecken, und wer wirklich tief einsteigen will in das Leben und Treiben der französischen Intelligenzia zur Mitte des 20. Jahrhunderts, dem sei diese umfangreiche Biografie ans Herz gelegt.

Service

Tiphaine Samoyault, "Roland Barthes. Die Biografie", Suhrkamp