"Politischer Populismus" in der Kunsthalle

Wie funktioniert politischer Populismus? Dieser Frage widmet sich ab morgen eine Ausstellung in der Kunsthalle Wien. Dass sich der politische Populismus seit der Jahrtausendwende sehr stark popkultureller und künstlerischer Ästhetiken bedient - damit setzen sich 20 internationale Künstler und Künstlerinnen in ihren Arbeiten auseinander.

Morgenjournal, 6.11.2015

"Eine sehenswerte Ausstellung"

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Kunsthalle Wien - Politischer Populismus

Hier ist alles groß, plakativ, vieles in einprägsamer Werbeästhetik, denn Populismus punktet gerne mit großen Formaten und Schlagworten. Das reflektiert eine heroisierende Betonskulptur in Zentrum der Ausstellung, die den einfachen Titel "Familie" trägt: Sie zeigt Vater-Mutter-Kind in trauter Eintracht. Das ist ein Statement der polnischen Künstlerin Goshka Macuga zu den polnischen Parlamentswahlen vor ein paar Wochen, die mit Katholizismus und Familienwerten gewonnen wurde.

Pro Putin für 500 Rubel

Eine trickreichere Form populistischer Strategie zeigt die aus Russland stammende Künstlerin Anna Jermolaewa in einer Filmdokumentation auf: Sie thematisiert die Onlineplattformen, über die 2012 bezahlte Demonstranten für die Pro-Putin-Demonstrationen angeheuert wurden. Jermolaewa machte daraus ein künstlerisches Event, indem sie ebenfalls 100 Menschen engagierte, um für sie zu demonstrieren. Ob sie dafür oder dagegen sind, dürfen sie noch auswählen, und dann heißt es: drei Stunden einfach auf und ab gehen, wie Anna Jermolaewa erzählt: "Jeder hat 500 Rubel bekommen, das ist der durchschnittliche Preis für drei Stunden demonstrieren."

Kein Strom für Aktivisten

Auch der türkische Künstler Ahmet Ögüt befasst sich mit den populistischen Machenschaften in seiner Heimat in Form von ehrgeizigen Mega-Bauprojekten. Er zeigt eine Skulptur - ein kleines Haus inmitten einer riesigen planierten Baustelle. Denn immer wieder leisten da einzelne aktiven Widerstand, was dazu führt, dass ihnen Strom und Wasser abgedreht wird.

Durchdachte & raffinierte Schau

Mit dem Thema Populismus hat sich Kunsthallenchef Nicolaus Schafhausen hat bereits 2005 in einer Ausstellung auseinandergesetzt, die er damals kokuratiert hat. Das Resultat dieser zehnjährigen Auseinandersetzung: eine stringent durchdachte Ausstellung, raffiniert aufbereitet, in der die Form den Inhalt spiegelt. Für diese Schau hat Schafhausen einige der international renommiertesten Künstler/innen mit ihren wichtigsten Arbeiten zusammengebracht: etwa den jungen Simon Denny, der schwierige Themen mit spielerischer Gelassenheit aufgreift, oder Goshka Macuga, die 2008 für den renommierten Turnerpreis nominiert war und von der hier jetzt von der letzten Documenta die großformatige Arbeit "Notice Board" zu sehen ist.

Ebenso zu sehen ist die Ton-Sound-Installation, mit der Hito Steyerl bei der letzten Biennale in Venedig den deutschen Pavillon bespielte. Wie schon in Venedig kann man hier in Liegestühlen dem Kunstgenuss frönen. Eine wirklich sehenswerte Ausstellung. Offensichtlich kommt etwas dabei heraus, wenn sich ein Kurator so lange mit einem Thema beschäftigt. Nach mehreren dürftigen und lieblos arrangierten Ausstellungen in der Kunsthalle läuft Nicolaus Schafhausen zu Hochform auf. Warum erst jetzt?

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