Joachim Meyerhoffs Autobiografie - Teil 3

Mit "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke" legt Burgschauspieler Joachim Meyerhoff den dritten Teil seiner romanhaften Autobiografie vor. Darin erzählt er von seiner Zeit an der Schauspielschule - bei aller Komik, vor allem eine Liebeserklärung an seine Großeltern, bei denen er damals wohnte.

Joachim Meyerhoff zählt zu den herausragenden Schauspielern des deutschen Sprachraums. Dass er nicht nur ein charismatischer Bühnenkünstler, sondern auch ein beachtlicher Schriftsteller ist, hat er seit 2011 mit zwei bei Publikum und Kritik erfolgreichen Romanen bewiesen: "Amerika" und "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?"

Morgenjournal, 11.11.2015

"Ein immer wieder zum Schreien komischer Roman"

Anfangs keineswegs "infiziert"

Man darf vorausschicken: Es gibt wieder viel zu lachen in Joachim Meyerhoffs drittem Roman. Der 48-Jährige erzählt von seiner Zeit an der Otto-Falckenberg-Schauspielschule in München. Meyerhoff ist Anfang zwanzig und vom Theater weitgehend unbeleckt, als er sich Ende der Achtziger als einer von 931 Bewerberinnen und Bewerbern zur Aufnahmsprüfung an einem der renommiertesten Schauspielerausbildungs-Institute des deutschen Sprachraums anmeldet. "Ich war keiner, der zu diesem Zeitpunkt vom Theater oder von Literatur infiziert gewesen wäre und der unbedingt eine künstlerische Laufbahn einschlagen wollte. Weit davon entfernt. Das war mir alles höchst suspekt", erinnert sich Joachim Meyerhoff.

"Irgendetwas passierte" bei der Prüfung

Kandidat Meyerhoff hat bisher eher als Sportskanone brilliert. Zur Aufnahmsprüfung tritt er mit einer Büchner-Szene an: "Dantons Tod". Zu seiner eigenen Überraschung gelingt es ihm, trotz schleißiger Vorbereitung, das Prüfungskomitee von seiner mimischen Begabung zu überzeugen: "Das hab ich dann in drei Jahren Schauspielschule nie wieder geschafft", so Meyerhoff, "aber bei dieser Aufnahmsprüfung gab es plötzlich so einen Moment, da passte irgendetwas, und das haben diese Prüfer anscheinend gesehen. Sie haben mich dann, vielleicht auf Grund ihrer Erfahrung, angenommen und gedacht, das könnte was werden."

Dekonstruktion des Ichs

Die Jahre an der Schauspielschule werden für den jungen Meyerhoff zum Martyrium. Er muss ein Nilpferd spielen, das "Effi Briest" rezitiert, er muss Fechten, Singen, Atmen lernen - und hat den Eindruck, dass seine fragile Jünglingspersönlichkeit von den Lehrenden in sämtliche Einzelteile zerlegt wird: "Für mich, der ich nie vorher gesungen hatte, der jetzt singen musste, der plötzlich seinen Atem immer hörte, war das eine völlige Dekonstruktion des Ichs. Also, ich fiel völlig in mich zusammen, aber nach außen hin - und das schreibe ich auch im Buch - habe ich immer so getan, als sei ich so eine Art Fata Morgana, ich gab immer ein Bild der Begeisterung ab, und mir Mut zu machen, aber ich selber war unten drunter total verunsichert."

Liebeserklärung an die Großeltern

Der zweite Handlungsstrang des immer wieder zum Schreien komischen Romans ist den Meyerhoffschen Großeltern gewidmet, bei denen der junge Mann während seiner Schauspielausbildung Obdach findet - in einer eleganten Nymphenburger Villa. Opa Hermann Krings war ein bekannter deutscher Nachkriegs-Philosoph, aus dem Umfeld der "Weißen Rose" stammend und Mitherausgeber der Schelling-Werkausgabe, Oma Inge Birkmann war zu ihrer aktiven Zeit eine der bekanntesten deutschen Bühnen- und Fernsehschauspielerinnen.

Joachim Meyerhoff: "Aber man muss noch einmal dazusagen, dass diese Waagschale, in der die Großeltern zusammen waren, das war das Besondere: also dieser feine, immer gut angezogene, fragile Großvater, und daneben diese sehr ausufernde, zum Pathos neigende Großmutter, die ergänzten sich auf eine wunderbare Weise."

Joachim Meyerhoffs dritter Roman ist - bei aller Komik, die ihm eignet - vor allem auch dies: eine herzzerreißende Liebeserklärung an seine 2004 verstorbenen Großeltern.

Service

Joachim Meyerhoff, "Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke", Roman, Verlag Kiepenheuer & Witsch

Buchpräsentation am 12. November, 20.00 Uhr im Akademietheater.
Burgtheater - Joachim Meyerhoff

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