Die "Cafe Sonntag - Glosse" von Armin Thurnher

Willi

Einmal sollten Willi Resetarits und ich ein politisch korrektes Kochbuch vorstellen. Es enthielt Rezepte aus Entwicklungsländern. Wir sollten schaukochen, den Doppelgutmenschen machen, eine Art Dritte-Welt-Andi und Alex. Das Rezept war ausgewählt, Zutaten, Gemüse und Gewürze lagen auf dem Tisch. Das Publikum erschien zahlreich. Ich fragte Willi: Kannst du kochen? Das nicht, sagte er, aber ich kann essen. Er wusste nicht einmal, wie man eine Zwiebel schält, genierte sich aber keineswegs dafür.

Armin Thurnher

Armin Thurnher

(c) Hochmuth, APA

Während ich mich vor Publikum für zwei abarbeitete, war Willi auf virtuose Weise untätig. Er versuchte nicht, so zu tun, als könne er mir irgendwie helfen. Ich schwitzte, aber er drängte sich nicht vor. Ich zerkleinerte Zwiebel, aber Willi blieb entspannt. Ich zermörserte nach Leibeskräften Kreuzkümmel, aber Willi war auf eine überaus elegante Weise einfach präsent. Niemand konnte den Eindruck haben, er tue nichts. Ein Wunder, denn er tat nichts. Er tat nicht einmal etwas, um den Eindruck zu zerstreuen, er tue nichts. Dennoch oder gerade deswegen hatte das Publikum am Ende das beglückende Gefühl, ein von uns beiden gekochtes Curry probieren zu können.

Das ist es, was ich an Willi Resetarits preisen möchte. Nicht den Musiker. Nicht den guten Menschen. Nicht den Gründer des Integrationshauses. Nicht den genialen Radiomacher. Nicht den Ostbahnkurti, nicht den Schmetterling und nicht den Jazzer. Nicht den intellektuellen Musikkenner, nicht den verlässlichen Protestmenschen, der immer da ist, wenn man ihn braucht. All das soll und muss gepriesen werden. Aber nicht hier von mir. Wirklich erträglich wird all das in seinem Umfang ohnehin nur, weil Willi es durch etwas mildert, was ich seinen maximalistischen Präsentationsminimalismus nennen möchte.

Es versteht es, ironisch aufzutreten, aber ohne jene landläufige Ironie , die sich bloß gegen Kritik absichern möchte. Der freundlich unernste Nachdruck, den Willi Resetarits in seine Sprechweise und um seine Erscheinung legt, macht schwere Anliegen erträglich. Sie scheinen leichter, ohne Gewicht zu verlieren.

Der von mir verehrte Pianist Alfred Brendel teilt uns in einem Aufsatz mit: "Immanuel Kant schätzte (...) das Lachen höher ein als die Musik, doch waren ihm beide zu sehr dem Unsinn verpflichtet, ästhetisch unrein‘, der Sphäre der Urteilskraft entzogen; sie förderten die Gesundheit, ohne das ,oberste Seelenvermögen‘ zu erreichen."

Willis bedachtsam nachdrücklicher Witz und sein Unernst im vollen Ernst legen es auf diese Art der Gesundheitsförderung an. Hier kommt die Bedeutung ohne Aufplusterung daher, die Pädagogik geht lächelnd am Stock, ohne ihn drohend zu erheben, der Schmäh rennt, ohne davonzulaufen, und die Musik ist immer anders, aber niemals anbiedernd. Danke Wilhelm Resetarits, wohl uns, dass wir im Zeitalter eines solchen Wilhelminismus leben.