Kulturhauptstadt Breslau

Die Stimmung in der polnischen Kulturszene ist schlecht - und zwar seit es in Polen die neue nationalkonservative Regierung gibt. Dabei hätte die Kultur dort gerade viel zu feiern. Ab Mitte Jänner wird die südpolnische Stadt Breslau zur europäischen Kulturhauptstadt.

Morgenjournal, 29.12.2015

Markus Nowak

Ein Winternachmittag in der ehemaligen Breslauer Eisenbahn-Ausbesserungshalle. Wo einst Lokomotiven instandgesetzt wurden, proben derzeit dutzende Performance-Künstler. Breslau ist 2016 Europäische Kulturhauptstadt und Chris Baldwin verantwortet als einer von neun Kuratoren die Eröffnungs-zeremonie: "Im Sommer hatten wir schon eine Performance und es kamen Tausende Besucher. Wir alle feierten die polnisch-, deutsche- und tschechische Identität Breslaus."

"So etwas wie einen Kulturkampf"

Kulturell vielfältig und weltoffen, so will sich Breslau als Europäische Kulturhauptstadt 2016 darstellen. Doch nach dem Wahlsieg der konservativen PiS-Partei bei den Parlamentswahlen im Herbst sei die Stimmung eine andere, beobachtet etwa die Breslauer Journalistin Katarzyna Kaczorowska. "Wir haben so etwas wie einen Kulturkampf in Polen. Und dieser dreht sich auch um die Kirche. Da gibt es auf der einen Seite überhitzte Aktivisten. Das was und wie sie von sich geben wird gegen sie verwendet. Ich würde es so bezeichnen, die Atmosphäre ist sehr angespannt."

Erst vor Kurzem versuchten erzkatholische Demonstranten in Breslau die Aufführung eines Elfriede-Jelinek-Theaterstück zu blockieren. Auch der neue Kulturminister aus den Reihen der PiS versuchte das Stück, mit Verweis auf sexuelle Handlungen auf der Bühne, zu verhindern. Die Angst geht um in der Kulturszene, beobachtet die Kulturjournalistin Malgorzata Matuszewska. "Es war der erste Versuch der Einflussnahme in einem Theater seit der Unabhängigkeit. Das zeugt doch von etwas: Von der Wiederkehr des Totalitarismus. Auch innerhalb meines Freundeskreises empfinden viele eine Angst. Angst vor der Beschränkung der Meinungsfreiheit."

Nationale Medien und patriotische Filme

Von Beschränkung der Meinungsfreiheit zu sprechen war in Polen, der Heimat der Solidarnosc-Bewegung, bis vor Kurzem noch undenkbar. Doch nach dem Wahlsieg der konservativen Kaczynski-Partei hat sich der Wind gedreht. Das Kulturministerium in Warschau spricht etwa davon "nationale Medien" zu schaffen oder "patriotische Filme" in Auftrag zu geben.

Auch in Breslau ist der neue Wind zu spüren, sagt die Kuratorin Daniela Szymczak: "Wenn man sich die Ankündigungen anhört, dann bekommt man es mit der Angst zu tun. Für Institutionen, die staatliche Zuschüsse erhalten, bedeutet das künftig vielleicht nicht eine Zensur. Aber zumindest eine Kürzung von Fördergeldern. Ich hoffe aber, das alles ist nur ein Sturm im Wasserglas."

Auch wenn vieles nur politische Phrasen sind. Die Ereignisse seit dem politischen Wechsel in Warschau liegen wie ein Schatten über Breslau, der Kulturhauptstadt 2016.