Deutschpflicht in der Schulpause?

Soll es für Schülerinnen und Schüler eine Deutschpflicht in der Pause geben, so wie das in Oberösterreich und in der Steiermark geplant ist? Und was ist davon zu halten, dass Kindergartenkinder verpflichtend fünf deutschsprachige Gedichte und Lieder beherrschen müssen, wie es der Welser Bürgermeister durchsetzen will?

Sprach-Experten bezweifeln, dass Kinder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch durch solche Maßnahmen tatsächlich besser integriert werden können.

Mittagsjournal, 12.3.2016

In der Muttersprache fühlt man sich zuhause und sicher - das gilt gerade für Kinder, sagt der Sprachlernforscher Hans-Jürgen Krumm. Und unter Druck und Zwang lernt man eine neue Sprache schlechter, also seien die Lieder- und Gedichtpläne in Wels sinnlos. Krumm hält diesen Plan für „pädagogisch-psychologischen Unsinn“.

Die Sprachwissenschafterin Judith Purkarthofer, die derzeit an der Universität in Oslo tätig ist, hält ebenso wenig vom Plan. Aus sprachpolitischer, soziolinguistischer oder spracherwerbsforschender Sicht sei damit keine positive Konsequenz verbunden.

Es dauert mindestens fünf Jahre, bis man in der Zweitsprache sicher genug ist, um sie als Bildungssprache verwenden zu können, zeigt die Forschung. Von der Idee, dass in den Pausen nur Deutsch gesprochen werden darf, halten die Experten wenig. Konflikte gebe es in einer Gruppe immer wieder und die löse man nicht automatisch, wenn alle eine Sprache sprechen.

Volker Frey vom Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern sieht in der Deutschpflicht in den Pausen ein juristisches Problem, weil es das Recht auf Privatleben einschränkt. Und er sieht ein generelles Problem: Bildung sollte Kinder auf die Welt vorbereiten, in der sie in 10, 20 Jahren leben werden. Und das wird, so Frey, auf jeden Fall eine mehrsprachige Welt sein.

Man lernt eine Sprache besser, wenn man die eigene Muttersprache gut kann und sich dafür nicht schämen muss, sagen die Experten. Und wenn es jemanden gibt, mit dem man sich austauschen kann. Das zeigen Studien in einem Kindergarten in Wien, in denen man geschaut hat, was die Kinder auf Türkisch miteinander reden, berichtet die Sprachdidaktin Verena Plutzar. Dabei wurde sichtbar, dass die Kinder ihre Muttersprache sehr wohl dafür nutzten, auszuhandeln, wie Sprache eigentlich funktioniert oder was im Deutschen richtig ist, so Plutzar.

Nicht nur Pädagogen ist es unangenehm, wenn sie nicht verstehen, was andere sagen, man hat Angst, dass jemand über einen schimpft oder spottet. Es bringt aber mehr, wenn die anderen stolz auf die eigene Muttersprache sein können, sagt Hans-Jürgen Krumm: „Die Pausensprache gehört den Kindern, gerade emotional und von der Sicherheit her. Schule kann den Stolz auf die Sprache fördern, dann wird weniger geschimpft. Aber geschimpft wird in jeder Sprache und das sollte man den Kindern in der Pause auch ein bisschen lassen.“