Wilhelm Lehmbruck im Leopold Museum

Wilhelm Lehmbruck, einem der bedeutendsten deutschen Bildhauer des 20. Jahrhunderts, ist eine große Retrospektive im Leopold Museum gewidmet. Dass Lehmbruck in der Öffentlichkeit relativ wenig bekannt ist, liegt daran, dass er nicht einmal 40 Jahre alt wurde und in dieser Zeit - auch beeinträchtigt durch den Ersten Weltkrieg - nur wenige Skulpturen schaffen konnte.

Im Leopold Museum sind nun 140 Skulpturen, Zeichnungen und Radierungen zu sehen; darunter einige seiner Ikonen wie "Die Kniende", mit der Lehmbruck 1911 den internationalen Durchbruch schaffte und die auch 1955 Blickfang bei der ersten documenta in Kassel war.

Morgenjournal, 7.4.2016

"Hans-Peter Wipplinger feiert einen fulminanten Einstand"

Beseelt in sich versunken

Die Skulpturen von Wilhelm Lehmbruck brauchen viel Platz um sich. Sie stehen da entrückt sinnierend in unaufgeregten Posen, sind beseelt in sich versunken, ganz ohne Drama und verbreiten große Ruhe im Raum. Leopolddirektor Hans-Peter Wipplinger, der diese Stille eindrücklich inszeniert hat: "Es ist eine sehr stille Kunst, die eine Auseinandersetzung bedarf, die zum Betrachten Zeit braucht. Das geht vielleicht im 21. Jahrhundert oft unter, weil andere lauter schreien."

Der Gestürzte, Bronzeskulptur

Der Gestürzte, 1915
Bronze, schwarz patiniert
78 × 239 × 83 cm

Wilhelm Lehmbruck

Ganz mit sich eins wirkt sogar "Der Gestürzte" aus dem Jahr 1915: ein nackter, am Boden kriechender Soldat mit abgebrochenem Schwert. Dieser trug Wilhelm Lehmbruck von seinen Zeitgenossen viel Kritik ein, weil er damit deren Euphorie für den Ersten Weltkrieg Lügen strafte. "Die Kniende" aus dem Jahr 1911 war bei der Armory Show in New York eingeladen und brachte Lehmbruck den internationalen Durchbruch. Später, 1934, wurde sie nur durch ein Versehen nicht in der Ausstellung "Entartete Kunst" gezeigt und wie viele andere Arbeiten zerstört.

Beuys - wegen Lehmbruck Künstler

Es sind Gefühlszustände wie Verzweiflung, Trauer, Scham oder Melancholie, die diese In-sich-gekehrten Körper aufladen. Auf diese intuitive Kraft bei Lehmbruck hat auch Joseph Beuys verwiesen, als er seine Dankesrede zum Lehmbruck-Preis im Jahr 1986 hielt und erklärte, dass er wegen Lehmbruck Künstler geworden sei. Daher ist ein Raum in der Ausstellung auch den Gemeinsamkeiten von Lehmbruck und Beuys gewidmet.

Mit dieser Ausstellung feiert Hans-Peter Wipplinger einen fulminanten Einstand im Leopod Museum, nachdem er jahrelang sehr erfolgreich die Kunsthalle in Krems geleitet hat. Seine Wahl fiel nicht zufällig auf Wilhelm Lehbruck: Lehmbrucks zerbrechlich langgliedrigen Skulpturen weisen viele Parallelen zu Egon Schiele auf, dessen weltgrößte Sammlung ja im Leopold Museum beheimatet ist.

Service

Im heutigen "Kulturjournal" um 17.09 Uhr hören Sie ein ausführliches Gespräch mit Hans-Peter Wipplinger.

Leopols Museum - Wilhelm Lehmbruck
8. April bis 4. Juli 2016

Diese Schau zeigt nicht nur wie Wilhelm Lehmbruck mit Egon Schiele korrespondiert, sie zeigt auch, wie die Strahlkraft seiner Skulpturen die Nachwelt beeinflusst hat: von Josef Beuys bis hin zur Gegenwartskünstlerin Berlinde de Bruyckere, deren Figuren sich ganz nach Lehmbrucksschen Vorbild ebenso verletzlich wie würdevoll zeigen. Ein erkenntnisstiftendes Ausstellungskonzept für eine gut gestylte Schau. Es sieht so aus, als könnte Hans-Peter Wipplinger zum neuen Motor für die erlahmte Kunstszene im Museumsquartier werden.

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