Kriminalität: Mehr Kontrolle, mehr Anzeigen?

Laut Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Bundeskriminalamt (BKA) ist aus Rohdaten ersichtlich, dass die Kleinkriminalität in Österreich ansteigt. Doch Experten zufolge sind Rohdaten mit Vorsicht zu genießen, denn wenn die Polizei mehr kontrolliert und die Bevölkerung mehr anzeigt, steigt automatisch auch die Anzahl der Anzeigen.

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APA/HELMUT FOHRINGER

Mittagsjournal, 6.5.2016

"Fast ein Automatismus"

Bundeskriminalamt und Innenministerium ist bewusst, dass die Daten vorerst statistisch nicht wirklich aussagekräftig sind, deswegen wollen sie sie auch nicht veröffentlichen. Es geht um den "Sicherheitsmonitor", der polizeilich erfasste Delikte zählt. Hier gilt natürlich: Je mehr die Polizei kontrolliert - das hat sie zuletzt etwa in Wien im Drogenbereich schon getan - desto mehr wird auch in der Statistik erfasst.

Das sei fast ein "Automatismus", sagt Katharina Beclin, Kriminalstatistik-Expertin und Kriminologin an der Uni-Wien, im Ö1-Mittagsjournal: "Wenn ich doppelt so viele Polizisten in der Drogenkriminalität recherchieren lasse, kann ich mit doppelt so vielen Anzeigen rechnen." Bei Diebstahl wiederum komme es auf die Anzeigebereitschaft der Bevölkerung an. "Hier kann die mediale Berichterstattung dazu führen, dass die Anzeigebereitschaft steigt und dann haben wir auch höhere Zahlen", erklärt Beclin.

"Anzeigebereitschaft gegenüber Fremden höher"

Im Sicherheitsmonitor könne es auch Doppelnennungen geben, gibt Beclin zu bedenken. Wenn etwa bei einem Schichtwechsel zwei Polizeibeamte die gleichen Daten in den Sicherheitsmonitor eingeben. Zweifel hegt die Kriminologin an den Aussagen von Sobotka und BKA nicht. "Es ist durchaus wahrscheinlich, dass, wenn sich eine sehr große Anzahl von teilweise nicht gut versorgten Fremden im Land aufhält, auch Kriminelle darunter sind", so Beclin.

Nur grundsätzlich könne nicht aus einer Entwicklung der Anzeigen auf die Entwicklung der Gesamtkriminalität geschlossen werden. Dazu bräuchte es bereinigte Zahlen über einen längeren Zeitraum. Noch besser, großangelegten Studien mit Umfragen, um eben Unsicherheitsfaktoren wie die unterschiedliche Anzeigebereitschaft auszuschalten. Denn gerade die Anzeigebereitschaft sei gegenüber ausländischen Tatverdächtigen generell höher als gegenüber inländischen, so Beclin.

"Wunsch nach mehr Personal berechtigt"

Die Kriminologin geht auch nicht davon aus, dass es einen Zusammenhang der Aussagen aus dem Innenministerium mit der Bundespräsidentschaftswahl gibt. "Ich sehe eher ein politische Kalkül insofern dahinter, dass die Polizei mehr Personal möchte, und dass in Wien eine durchaus berechtigte Forderung wäre", so Beclin.

Der Innenminister hat übrigens die Landespolizeidirektoren beauftragt, bis Mitte nächster Woche Vorschläge für Maßnahmen gegen die steigende Kriminalität zu erarbeiten.