Veraltete Waffenkartentests

Wie einfach ist es, in Österreich eine Waffenbesitzkarte zu bekommen? Offenbar einfacher, als man vermuten möchte. Das Waffengesetz lässt den Gutachtern, die über die Verlässlichkeit eines potentiellen Waffenbesitzers zu entscheiden haben, viel Spielraum. Da ist die psychologische Untersuchung bei manchen deutlich einfacher als bei anderen, wie ein aktuelles Beispiel zeigt. Die Forderungen nach einer Verschärfung des Waffengesetzes werden lauter.

Morgenjournal, 11.07.2016

Jakob Horvat

Fragen zu Verdauung und Sexualleben

Weil sie Interesse am Schießsport hat, beantragt eine Frau - die hier gerne anonym bleiben möchte - eine Waffenbesitzkarte. Vor einer Woche stellt sie sich der psychologischen Untersuchung, die das Gesetz vorschreibt. Der vorgelegte Fragenkatalog kommt ihr sehr alt vor: "Ich habe mir dann erlaubt, auf die 2. Seite zu blicken, und da war eben ein Datum mit Beginn der 1960er-Jahre vermerkt." Dem Alter entsprechend die Fragen, die gestellt werden: "Es waren Fragen zum Beispiel zur Verdauung, zum Sexualleben. Oder ich wurde gefragt, ob ich in die Kirche gehe oder ob ich an die Wiederkunft Christi glaube, ob ich Stimmen höre oder ob ich gern Bibliothekar oder Blumenhändler werden möchte. Es wurde explizit gefragt, fühlen Sie sich zu Personen des eigenen Geschlechts hingezogen." Es ist ein Kreuzerltest - schriftlich, nicht am Computer. Ein vertiefendes Gespräch habe danach nicht mehr stattgefunden: "Es wurde der Lebenslauf abgefragt, und ich habe dem Psychologen dann angeboten - bevor er sich jetzt die Finder wundschreibt - ich schicke ihm den Lebenslauf elektronisch. Ein weiteres Gespräch darüberhinaus, das in die Tiefe geht, hat nicht stattgefunden. Die Frage nach der Notwehr oder der Selbstjustiz ist nicht gestellt worden. Es sind eigentlich überhaupt keine Fragen gestellt worden."

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Psychologen in der Pflicht

Der Psychologe, um den es hier geht, ist vom Innenministerium für die Durchführung waffenpsychologischer Gutachten ermächtigt worden. Dort heißt es, man verlasse sich bei der Auswahl der Gutachter auf die Expertise des Berufsverbandes der Psychologen. Und dessen Präsidentin Sandra Lettner wiederum nimmt die Psychologen selbst in die Pflicht. Sie seien selbst dafür verantwortlich, am letzten Stand der Wissenschaft zu arbeiten. Und: "Eine unserer Berufspflichten ist es, dass die Tätigkeit unmittelbar und höchstpersönlich auszuführen ist. Das bedeutet, dass ich schon sehr davon ausgehe, dass die Kollegenschaft natürlich auch ein persönliches Gespräch macht." Zu diesem persönlichen Gespräch verpflichtet das Waffengesetz derzeit nicht.

Keine Mindeststandards

Das soll geändert werden, fordert sowohl der Berufsverband der Psychologen als auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit. Für Geschäftsführer Othmar Thann fehle es an Mindeststandards im Waffengesetz: "Es ist so als ob ich sagen würde, jeder ist verantwortlich für sich selbst. Wenn er es nicht tut, dann kann man auch nichts machen. Das ist ein bissl zu kurz gegriffen. Schön ist es immer, oder vernünftig ist es doch, wenn alle nach gleichem Schema vorgehen. Und was auch wichtig ist: Sie müssten auch entsprechend überprüft werden. Und das ist auch das 2. Defizit, das sich natürlich de facto niemand darum kümmert, wer was wie mit welchen Werkzeugen macht." Das führt dazu, dass manche Prüfungen einfacher sind als andere. Wer eine Waffenbesitzkarte möchte und bei dem einen Gutachter als unverlässlich eingestuft wird, kann sich einfach einen anderen suchen - so lange, bis der Befund positiv ist.