Gefahr Ego-Shooter-Spiele

Nach den Gewalttaten in Deutschland und speziell nach dem Amoklauf eines Schülers in München fordern österreichische Psychiater nun ein Verbot von gewaltverharmlosenden Computerspielen. Denn laut Ermittlern hat der Täter von München, ein 18-jähriger Deutsch-Iraner, intensiv sogenannte Ego-Shooter-Spiele wie "Counterstrike" gespielt. Da geht es darum in der virtuellen Welt so viele Menschen wie möglich zu töten. In der realen Welt fallen dann die Grenzen und das Einfühlungsvermögen, warnen Psychiater.

Mittagsjournal, 25.7.2016

"Im Spiel Herren über Leben und Tod"

Zehntausende Österreicher spielen Gewalt- und Ego-Shooter-Spiele am Computer. Ob das zum Aggressionsabbau beiträgt oder Aggression verstärkt, sei wissenschaftlich umstritten, sagt der Psychiater Reinhard Haller aber in einem Punkt ist er sich sicher: "Es ist Abtötung des Einfühlungsvermögens. Es tritt hier ein Entmenschlichungseffekt ein. Das ist, glaube ich, der wirklich gefährliche Effekt von Computerspielen."

Die Spieler erschießen ja virtuelle Menschen, überfahren sie oder müssen gar foltern. Praktisch alle Schul-Amokläufer haben Gewaltspiele gespielt, sagt Haller. So sinke das Einfühlungsvermögen. Reinhard Haller: "Gewalttaten beruhen immer auf einer Unterdrückung der Empathie-Fähigkeit, des Einfühlungsvermögens. Der britische Astrophysiker Steven Hawking ist ja so weit gegangen, dass er gesagt hat, das Überleben der Menschheit wird davon abhängen, ob die Menschen es schaffen, die Empathie zu retten. Damit hat einer der intelligentesten Menschen die ganze Problematik von Computerspielen auf den Punkt gebracht."

Auch die Grenzen und Hemmschwellen zu kleineren Gewalttaten sinken, erklärt die Jugendpsychiaterin Gabriele Wörgötter und wünscht sich im Ö1-Interview ein generelles Verbot: "Aus kinder- und jugendpsychiatrischer Sicht wäre ein Verbot sicherlich sinnvoll." Dann könnten Kinder- und Jugendliche sich nicht mit Spielen beschäftigen, die ihrer Entwicklung und Persönlichkeit schaden. Und Amokläufen wäre in der Vorbereitungsphase ein gewisser Riegel vorgeschoben, sagt Wörgötter.

Den Kauf von Computerspielen - etwa über das Internet - völlig zu verhindern, sei zwar unmöglich, meint Psychiater Haller aber auch er sagt zum Thema Verbot von Ego-Shooter-Spielen: "Natürlich wäre das ideal. Aber die Erfahrungen haben bisher leider keinen nachhaltigen Effekt gehabt und schon gar nicht zu gesetzlichen Reaktionen geführt."

Haller hat übrigens als Gerichts-Gutachter den Schul-Amoklauf eines 17-jährigen Deutschen 2009 in Winnenden bei Stuttgart analysiert. Jenen Amoklauf, der offenbar zum Vorbild für den 18-jährigen deutsch-iranischen Täter von München wurde. Wie in diesen zwei Fällen, sei der Amokläufer fast immer ein Bursch, der nach außen hin angepasst sei und unauffällig, der innerlich aber zutiefst gekränkt und verletzt ist, immer mehr Wut entwickelt auf die scheinbar heile Gesellschaft. "Er will sich an der Gesellschaft rächen, geht auch über das Internet in eine allmächtige Position und schwingt sich empor zum Herren über Leben und Tod."

Gewaltspiele seien also ein Aspekt, einer der praktisch jedes Mal eine Rolle spielt.