Roman von Anna Weidenholzer

Weshalb die Herren Seesterne tragen

Mit ihrem Debütroman "Der Winter tut den Fischen gut" war die österreichische Schriftstellerin Anna Weidenholzer 2013 für den Leipziger Buchpreis nominiert. Mit ihrem neuen Roman "Weshalb die Herren Seesterne tragen" landete Weidenholzer prompt auf der Longlist für den diesjährigen Deutschen Buchpreis.

Auch wenn es das Buch nicht auf die Shortlist geschafft hat, das deutschsprachige Feuilleton zeigt sich über diese Geschichte rund um einen skurrilen Glücksforscher wieder begeistert.

Kulturjournal, 28.9.2016

Eine wunderliche Reise ist es, die der pensionierte Lehrer Karl Hellmann unternimmt: Ganz plötzlich bricht er eines Tages auf, ohne seiner Frau auch nur eine Nachricht zu hinterlassen. Der drängende Grund für seine kleine Odyssee sei gleichzeitig auch der Auslöser für ihr neues Buch gewesen, so Anna Weidenholzer: "Die ständige Gegenwart der Angst, die wie ein Rauschen um uns schwirrt, war ein Ausganspunkt dieses Buch zu schreiben. Auf diese Frage findet Karl keine Antwort, aber es ist ein Grund, warum er aufbricht."

Glück im Leben?

Zehn Menschen an zehn verschiedenen Orten, ausgewählt nach dem Zufallsprinzip, will Karl Hellmann befragen, um zu sehen, woher diese Angst kommt, die, so Zitat, "manche in die falsche Richtung treibt". Der tragisch-verschmitzte Hellmann fragt seine Gegenüber aber nicht plump nach den Gründen für ihre Ängste, sondern umgekehrt danach, wie es denn mit dem Glück in ihrem Leben bestellt sei. Und er greift dabei auf einen 250 Fragen umfassenden Katalog aus dem glücklichsten Land der Welt zurück. In Bhutan hat eine Kommission aufgrund dieses Fragebogens das Bruttonationalglück der Bevölkerung erhoben.

Groteske Achterbahnfahrten

In "Weshalb die Herren Seesterne tragen" geht es aber nicht nur darum, wie es um das Land, sondern auch wie es um Karl Hellmann selbst bestellt ist. Geschickt wechselt Anna Weidenholzer in ihrem Erzählen zwischen erster und dritter Person, der Leser sieht Hellmann also von außen, bevor er unversehens wieder in den Kopf und das Denken des eigenbrötlerischen Protagonisten gestoßen wird. Ein Rezensent hat Karl Hellmann bereits mit einer Loriot-Figur verglichen und tatsächlich unternimmt dessen Denken groteske Achterbahnfahrten, in dem winzige Alltagsbeobachtungen plötzlich zu opulenter Größe anschwellen.

Die passionierte Sammlerin

Die Leidenschaft für solche Wahrnehmungsperlen am Wegesrand teilt der Protagonist übrigens mit seiner Schöpferin: "Ich bin ständig am Sammeln: Sätze, Beobachtungen, Begegnungen. Diese fließen nicht unbedingt eins zu eins in den Text, aber es kommt viel von unterwegs." Diese Fundstücke sind aber bunt zusammengewürfelt und können auch aus Büchern oder dem Boulevardfernsehen stammen.

Anna Weidenholzer lässt gerne Fachliteratur in ihre Romane einfließen. Bei ihrem vorherigen Roman "Der Winter tut den Fischen gut" über eine Arbeitslose war das die historische Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal". In "Weshalb die Herren Seesterne tragen" ist es das Werk des deutschen Soziologen Heinz Bude, Titel "Gesellschaft der Angst", das Eingang gefunden hat in das Denken von Karl Hellmann.

Rhythmische Sprache

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass Karl Hellmann seine mal spitzfindig, mal vertrackten Gedanken in einer äußerst rhythmischen Sprache denkt, fast so als würde er sie vor sich hinsummen. Nach ihrem Erzählband "Der Platz des Hundes" und dem Debütroman "Der Winter tut den Fischen gut" ist "Weshalb die Herren Seesterne tragen" bereits das dritte Buch mit Tieren im Titel. Das könne beim vierten Buch anders sein, meint die Autorin. Das Tier im Titel kann bleiben, befindet hingegen der Rezensent. Solange was danach kommt, so gut ist wie "Weshalb die Herren Seesterne tragen".

Service

Anna Weidenholzer, "Weshalb die Herren Seesterne tragen", Matthes & Seitz
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