Jugendliche Handyfilme im Volkskundemuseum

In Deutschland wird bundesweit nach einem 19-Jährigen gefahndet, der einen neunjährigen Buben erstochen haben soll und das mit dem Handy filmte. Gewalttaten wie diese verschaffen Handyfilmen einen extrem schlechten Ruf.

Dass sie aber in erster Linie in der Jugendkultur eine harmlose und wichtige Rolle spielen, will eine Ausstellung zeigen, die dieser Tage im Wiener Volkskundemuseum eröffnet wurde. "Handyfilmen - Jugend. Alltag. Medienkultur".

Handyfilme - Jugendkultur in Bild und Ton, übergroße Hände mit Mobiltelefonen in der Hand

FLORIAN WEGELIN

Morgenjournal, 9.3.2017

Handyfilme per se sind nicht böse

Handyfilme sind besser als die Schlagzeilen, die sie derzeit gerade machen. Denn sie gehören heute einfach zum Alltag von Jugendlichen. Sagt Kurator Christian Ritter, der für die Universität Zürich seit 2012 an einem Forschungsprojekt zum Thema Handyfilm und Jugendkultur arbeitet: "Eine Grundidee dieser Ausstellung war, zu zeigen, dass Handyfilme mehr als Sex and Crime sind. Dass es eine Ressource für Jugendliche, ihren Alltag zu bewältigen, ihre eigene Sicht auf ihren Alltag festzuhalten und mit ihren Freunden zu teilen. Es ist also ein sehr soziales Medium."

In der Schau gibt es sieben überdimensionale Hände aus Holzplatten, die Handys in die Höhe halten. Darauf sind Tablets und große Monitore eingebaut, auf denen Ausschnitte aus unbearbeiteten Handyfilmen laufen. Etwa der Film eines jugendlichen Autofans, der den Auspuff eines Mercedes-Benz zeigt, macht deutlich, dass die Tonspur meist eine wichtige Rolle spielt. Dann sieht man zwei Mädchen, die sich filmen, wie sie im Hinterhof ihrer Schule zu "Nossa Nossa", zum Sommerhit des Jahres 2013 tanzen. Oder einen Kochlehrling, der ein Sushi-Band filmt und die Speisen beschreibt, die er da gekocht hat.

Ein weiterer Film zeigt, wie Jugendliche nachts am Nachhauseweg vom Club einen Fuchs in der Großstadt entdecken und versuchen, ihn zu filmen. Dazu immer die Kommentare der Freundesgruppe, die wichtiger Bestandteil des Handyfilmens sind. Oft unterstützen solche Filme die Kommunikation in der Gruppe. Viele Filme werden gemeinsam gedreht, gleich danach angesehen und dann nie wieder.

Der Touch des Authentischen

Beliebt sind: Verwackelte Kameraführungen, unkontrollierte Bewegungen und rasch wechselnde Lichtverhältnisse, sagt Kuratorin Ute Holfelder: "Interessant ist, dass diese improvisierte Ästhetik die Anmutung des Authentischen hat. Dass man immer mit dem Handyfilm verbindet: dass muss in Echt so gewesen sein. Das macht den Handyfilm aus."

Die Ausstellungsmacher erzählen, noch 2012 mussten sie eine halbe Stunde warten, wenn sie auf der Straße Jugendliche nach ihren Handyfilmen fragten. Heute sind die Smartphones so verbreitet, dass fast jeder solche Filme hat. In der Schau werden die Bildkonzeptionen bis in die Renaissance zurückverfolgt. Auch wenn die Jugendlichen nicht sagen: Ich filme Dich jetzt wie Caravaggio gemalt hat - es gibt offensichtlich Bildvorstellungen, die über Jahrhunderte tradiert sind. Das sind kollektive Vorstellungen, wie ein Porträt auszusehen hat.

Nicht das Familienoberhaupt bestimmt

Seit es den Handyfilm gibt, ist es erstmals im Familienurlaub nicht mehr das Privileg des Vaters, die offiziellen Erinnerungen an den Urlaub festzuhalten. Und auch wenn Jugendliche im Urlaub dasselbe filmen wie ihre Eltern - den Eiffelturm, den Markusplatz, das Kolosseum -, sie machen das auf andere Art: Sie filmen etwa die lange Menschenschlange vor den Vatikanischen Museen und motzen über die lange Wartezeit. Während der Vater dieses unangenehme Detail in seinem Urlaubsfilm der Superlative lieber unterschlägt.

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