Landschaft, Libanon

TANYA TRABOULSI

Eine Reise in den Libanon

Als Europäer weiß man oft erstaunlich wenig von den europäischen Nachbarn. In seinem Nebenan-Schwerpunkt bietet Ö1 Einblicke in Kultur, Geschichte, Literatur, Musik und Politik eines Landes - diesmal führt die Reise in den Libanon.

Ich liebe die Idee des Libanon

Diala Haidar-Ahmad, Politikwissenschaftlerin an der Lebanese American University in Westbeirut, über das soziale Experiment Libanon.

Diese Region blickt auf eine vieltausendjährige Geschichte zurück. Als Teil des antiken Phöniziens bzw. der Levante wurde der Libanon schon durch die Eroberung des antiken Rom der römischen Provinz Syria zugeschlagen. Es sollte bis 1943 dauern, bis der von Frankreich besetzte Libanon, als selbstständiger Staat international anerkannt wurde. Dazwischen lagen vielerlei "Fremd"-Herrschaften.

Karte

Nur 225 km lang ist der schmale steile Küstenstreifen, der den Libanon mit dem Mittelmeer verbindet. Im Norden und Osten grenzt er an Syrien, im Süden an Israel. Auf einer Fläche von rund 10.000 Quadratkilometern - etwas kleiner als Oberösterreich - leben sechs Millionen Menschen.
Vier Millionen davon sind Libanesen. Zusätzlich dazu kommen seit Ausbruch des Bürgerkriegs im Nachbarland rund 1,8 Millionen syrische Kriegsflüchtlinge, die im Libanon Schutz gefunden haben und unter prekären Bedingungen leben.

APA

Zwischen Israel und Syrien

Die jüngere Geschichte des Libanon ist von den divergierenden politischen Interessen seiner beiden militärisch starken Nachbarländer Syrien und Israel geprägt. Von 1949 bis 1969 galt der prosperierende Libanon als die "Schweiz des Nahen Ostens". Von 1975 bis 1990 wurde er von einem verheerenden Bürgerkrieg heimgesucht.

Im Zuge dessen marschierten syrische Soldaten im Libanon ein, schiitische Hisbollah-Milizen kontrollierten den Süden des Landes und Israel kämpfte im Libanon-Krieg gegen die PLO. Nach dem Friedenschluss durch das Abkommen von Taif wurde die zerstörte Infrastruktur des Landes sukzessive wieder aufgebaut. Nach der Ermordung des Libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri kam es 2005 zur "Zedern-Revolution" der Bevölkerung, die die syrischen Besatzungssoldaten zum Abzug zwang.

Libanon

TANYA TRABOULSI

Die Suche nach der gemeinsamen Identität

Im Libanon gibt es 18 Unterschiedliche religiöse Gruppen. Ihr Selbstverständnis und ihre politischen Vorstellungen klaffen weit auseinander. Während die Muslime sich auf ihre Abstammung als Araber berufen, sehen sich die Christen als Nachfahren der Phönizier.

Durch eine paritätisch festgelegte Beteiligung am politischen Prozess wird versucht, den zerbrechlichen Frieden unter der 18 unterschiedlichen Religionsgruppen angehörenden Bevölkerung, aufrecht zu erhalten. So ist der Libanon seit dem "Nationalen Pakt" von 1943 durch ein System der konfessionell orientierten Machtaufteilung geprägt.

Kann dieses System noch allen Libanesen dienen?

Der Universitätsdekan der Universitè St. Joseph, Salim Daccache, über das gemeinsame Interesse eine vereinte Nation zu sein.

Trotz der innenpolitischen Schwierigkeiten des Landes hat der Libanon, wie kaum ein anderes Land der Welt hat, Menschen aufgenommen, die vor dem Krieg in Syrien geflohen sind. Mehr als eine Million Flüchtlinge werden in den Lagern in der Bekaa-Ebene im Osten des Landes versorgt. Hilfsorganisationen gehen von einer doppelt so hohen Zahl aus. Und das in einem Land mit rund 4,5 Millionen Staatsbürgern.

Beirut – ein Name mit Symbolkraft

Ende der 1970er Jahre schreibt die New York Times über die katastrophalen Zustände des amerikanischen Bildungssystems und titelt "The Beirut of Education". Der Name der Stadt war zum Synonym für Desaster geworden.

  • Beirut

    Blick auf Beirut

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  • Strand in Beirunt

    Der öffentliche Strand Ramlet el Bayda in Beirut.

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  • Beirut

    Ein Lokal in Beirut.

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  • Blick auf Beirut

    Häuserdächer in Beirut

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Heute, nach 15 Jahren Bürgerkrieg, sind für die zwei-Millionen-Stadt die Beziehungen nach außen, von denen viele Beiruter leben, typisch. Man studiert in Europa oder Nordamerika, hat Verwandte in der weltweiten libanesischen Diaspora - so wie umgekehrt Menschen vor allem aus arabischen Ländern nach Beirut kommen, zum Studium, zur Arbeit, zum Vergnügen und der geistig freieren Luft wegen. Oder als Flüchtlinge aus Syrien - das Schicksal von Millionen Menschen, die in den vergangenen Jahren im Libanon Zuflucht gesucht haben.

Das Proporzsystem der Religionsgemeinschaften, das die Macht im Libanon aufteilt, lähmt die Politik und Verwaltung und öffnet der Korruption Tür und Tor. Daher hat eine Gruppe von Bürgerinnen und Bürger von Beirut letztes Jahr kurz vor den Bürgermeisterwahlen die Bewegung Beirut Madinati – Beirut, meine Stadt, gegründet. Gegen Cliquenwirtschaft und Interessenspolitik.

Sie benutzen die Religion um ihre Interessen durchzusetzen

Salim Daccache, Universitätsdekan der Universitè St. Joseph, über die Gefahren des politischen Systems im Libanon.

Ein Gittarist

TANYA TRABOULSI

Ebenso vielfältig wie die ethischen Gruppen im Libanon ist auch die Musik. In der Zeit nach dem libanesischen Bürgerkrieg entwickelte sich in Beirut abseits der kommerziellen arabischen Popmusik ein spannendes Indie- und Underground-Biotop.

Der "Sound of Beirut"

Zu hören sind: Tania Saleh, "Beirut Windows", Scrampled Eggs, "Russian Roulette", Mashrou Leila, "Raksit Leila", Soap Kills, "Tango", Yasmine Hamdan, "Beirut", Mashrou' Leila, "Djin" und Asil Ensemble, "Autism"

Der "Sound of Beirut" blüht nicht mehr nur im Untergrund: Die Szene hat sich professionalisiert und einige der Acts sind mittlerweile bei internationalen Labels untergekommen. Zudem haben in jüngster Zeit auch syrische Bands von Beirut aus Karriere gemacht.

Beirut

TANYA TRABOULSI

Krieg, Wiederaufbau, Tradition, Nostalgie, Moderne, Identität, Einzelkämpfertum, Diaspora, internationale Vernetzung, - das waren die zentralen Begriffe, um die herum unsere Gespräche mit den Musik- und Kulturschaffenden aus den unterschiedlichsten Szenen in Beirut kreisten.

Wie zum Beispiel mit der Direktorin des Museum moderner, libanesischer Kunst Zeina Arida. Sie lässt uns in einer virtuosen Verknüpfung ihrer eigenen Biografie mit derjenigen des Museums wissen wo man jetzt hin will und dass man in Beirut über nichts, aber auch gar nichts reden kann, ohne dass der Bürgerkrieg zum Thema wird.

Zeina Arida über das Sursock Museum und das Leben im Libanon

Die Übersetzung des Interviews finden Sie hier ...

Fairuz - Die Legende

Sie ist eine Ikone der arabischen Musik und das nicht nur im Libanon: Fairuz. In den 60 Jahren ihrer Bühnenkarriere hat sie die arabische Musik nicht nur entscheidend geprägt, sondern auch verändert.

Fairuz´ Lieder handeln von Liebe und Krieg, besingen die Schönheiten arabischer Städte und Landschaften und brachten eine neue Musiksprache in die arabische Welt, auf der die nächste Generation aufbauen konnte.

Die Revolutionärin des arabischen Liedes

Liebe, Krieg und das Leben

Strand im Libanon

TANYA TRABOULSI

Ich habe das Böse gesehen

Die Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt sowie die Erfahrung, sich in vielen Sprachen und Kulturen einzurichten, haben das Leben der libanesischen Schriftstellerin und Malerin Etel Adnan geprägt.

Bestie Mensch

Die Gesellschaft macht das Töten legal. In Friedenszeiten wird man für einen Mord bestraft, in Kriegszeiten wird man dafür belohnt.

1925 ist sie in Beirut geboren, als Tochter eines muslimischen Syrers und einer christlich-orthodoxen Griechin. Zu Hause spricht man Türkisch, Griechisch und Arabisch. In der Schule hingegen lernt sie Französisch, da der Libanon französisches Mandatsgebiet ist. Arabisch zu sprechen, wird den Kindern nicht erlaubt. "Wir wussten viel über die Berge und Flüsse Frankreichs", erzählt sie später "aber wie das nächstgelegene libanesische Dorf hieß, wussten wir nicht."

Die Erfahrungen des 15-jährigen Bürgerkriegs finden Eingang in ihren berühmten und in viele Sprachen übersetzten Roman "Sitt Marie-Rose" sowie in dem Poem "Arabische Apokalypse", das im Suhrkamp Verlag in deutscher Sprache erschienen ist.

Ein Obststand in Beirut

TANJA TRABOULSI

Die Küche des Libanon

Auch die Küche des Libanon ist von vielen Kulturen beeinflusst. Das Land liegt zwischen Orient und Okzident - dementsprechend vielfältig sind Aromen und Gerichte. Dominierend sind kulinarische Elemente des Mittelmeerraumes mit orientalischer Prägung. Die Basis sind Olivenöl und mediterrane Kräuter, Gemüse und Hülsenfrüchte, Getreide, Fleisch und Fisch und arabische Gewürze. Eine libanesische Mahlzeit beginnt mit den sogenannten Mezze - den Vorspeisen, die in kleinen Tellern auf den Tisch kommen, gemeinsam mit Fladenbrot.

Tabuleh darf dabei nicht fehlen - klein geschnittener Salat aus Petersilie, Gemüse und Bulgur. Weiters am Tisch: die Kichererbsenpaste Hummus, Falafel, mit Sesampaste gewürztes Auberginenpüree und vieles mehr. Vegetarier haben ihre Freude daran.

Neben gegrilltem Fleisch - dem Schawarma - gibt es Eintopfgerichte in vielen Varianten, Reis- und Bulgurgerichte, und Spezialitäten wie Kibbeh - ovale Knödel aus Bulgur und fein faschiertem Fleisch, mit knuspriger Hülle und pikanter Fülle. Kibbeh sind auch mit rohem Lammtatar beliebt. Süßspeisen - von Reispudding bis Baklava - beschließen eine libanesische Mahlzeit.