"Neruda" als vergnügliches Anti-Bio-Pic

Pablo Neruda, der chilenische Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger, Diplomat und Politiker steht im Zentrum von Pablo Larraíns Film "Neruda" mit Luis Gnecco und Gael García Bernal. Er zeichnet die gefinkelte Flucht des zum Staatsfeind erklärten Nationaldichters vor einem unbeholfenen Polizeiapparat nach.

Junger Mann blickt in die Kamera

Piffl Medien

Morgenjournal, 14.3.2017

Dichter, Denker, Trinker & Lebemann

Er ist ein derber Lustmolch, der regelmäßig in Freudenhäusern verkehrt, leidenschaftlicher Trinker und Gastgeber rauschender Feste, und ein Kommunist, der den Schmutz der Arbeiterschaft nur aus der Ferne kennt. Und doch verzaubert der Politiker und Dichter Pablo Neruda mit seiner Poesie Menschen aller Gesellschaftsschichten und erschreibt sich so einen Status als Nationalheld.

Nach einer flammenden Rede gegen den Präsidenten Videla muss er 1948 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin untertauchen, während ein Heer von 300 Polizisten nach ihm fahndet, angeführt vom schmierigen, geistig minderbemittelten jungen Polizisten Óscar Peluchonneau, dem Ich-Erzähler der Geschichte.

Fiktiver Anti-Held als Motor der Handlung

Die fiktive Figur des Polizisten Peluchonneau habe das Filmprojekt realisierbar gemacht, erzählt Regisseur Pablo Larraín, der den Streifen bewusst nicht als Bio-Pic anlegte. "Gleich zu Beginn stellten wir fest, dass man Neruda nicht so einfach in einen Film packen kann. Sein Universum ist viel zu groß und komplex", so Larraín.

Erst die Idee, die Geschichte aus der Perspektive des fiktiven Polizisten zu erzählen, habe ihn überzeugt. Anstelle eines Films über Neruda sei so ein Film über das "Nerudianische" entstanden, über den Kosmos bzw. das Universum des Dichters.

Poetisches Katz- und Maus-Spiel

In kurzen, rasch aufeinander folgenden Sequenzen zeichnet Pablo Larraín diese Jagd quer durchs Land nach und inszeniert sie mit viel Wortwitz und Augenzwinkern, ganz im Sinne des Dichters. Dieser wird im Film zum zweiten Regisseur und macht diese Verfolgungsjagd durch Chile und Argentinien und schließlich bis nach Frankreich zum Katz- und Maus-Spiel, bei dem die Figuren nach seiner Feder tanzen und sich im Takt seines Schreibmaschinenklapperns bewegen.

Lustvolle Überlagerung von Realität und Fiktion

Allmählich überlagern sich die Ebenen der Fiktion und Geschriebenes, Erdachtes und Erlebtes fließen ineinander. Die zahlreichen Schauplätze der Handlung werden - in Zwielicht und Gegenlicht getaucht - immer mehr zu schemenhaften Traumwelten. Hinter dem vergnüglichen Spiel mit unterschiedlichen Wirklichkeiten treten ganz beiläufig große politische Themen zutage. So wird "Neruda" zu einem ebenso poetischen wie vergnüglichen Wechselspiel von Realität, Fiktion und satirischer Überzeichnung in bester Tradition des magischen Realismus.