Stefanie Dvorak (Ulrike), Markus Meyer (Nebel) und Martin Vischer (Anton Buchner)

APA/HANS KLAUS TECHT

Liebesgeschichten und Heiratssachen

Nestroy-Premiere am Burgtheater

"Liebesgeschichten und Heiratssachen" nannte Johann Nestroy seine 1843 uraufgeführte Posse mit Gesang. Immerhin fünf Jahre, bevor Marx und Engels ihr kommunistisches Manifest herausbrachten, nahm Nestroy darin die bürgerliche Scheinmoral ins Visier, in der Liebesbeziehungen und Eheanbahnungen am Ende einzig und allein der Geschäftemacherei dienen. Regisseur Georg Schmiedleitner inszeniert das Stück am Wiener Burgtheater.

Mittagsjournal, 13.4.2017

Vorbericht von Sebastian Fleischer

Sprache als Waffe

Es ist ein düsterer Vergnügungspark, der sich da auf der Drehbühne auftut: Traurige, mit Lichterketten verbundene Plastikpalmen und ein Ringelspiel, auf dessen Dach sich ein Kammerorchester eindringlich Gehör verschafft. Ein Stockwerk darunter findet sich die Schnapsbar zum "Silbernen Rappen". Auf dieser Spielwiese tummeln sich ehrenwerte Mitglieder des Geld- und sonstigen Adels - und mitten unter ihnen Nebel, ein verschlagener Underdog, der alle anderen zu manipulieren weiß. Mit fettigen Haaren und hellblauen Haftschalen ausgestattet, verkörpert Markus Meyer den ausgefuchsten Nebel, der skrupellos eine Intrige nach der anderen schmiedet.

Kulturjournal, 13.4.2017

Wie würde Nestroy heute inszenieren? "Er würde ein kleiner Schlingensief sein." Der Regisseur im Gespräch mit Sebastian Fleischer.

Regisseur Georg Schmiedleitner, der Johann Nestroys "Liebesgeschichten und Heiratssachen" jetzt auf die Bühne des Burgtheaters bringt, arbeitet reichlich mit Stilmitteln der Groteske. Gregor Bloeb als schmieriger Neureicher namens Fett, Regina Fritsch als dessen polternde Schwägerin, Peter Matic als mit allen Wassern gewaschener Lokalbesitzer und all die anderen Figuren erscheinen lustvoll überzeichnet in ihren Gesten und Handlungen - und natürlich in ihrer Sprache, die für Schmiedleitner das Kampfmittel aller handelnden Personen ist.

"Alle Figuren sind glücksuchende, verirrte Menschen, die nichts anderes wollen, als in der Gesellschaft aufzusteigen", so Schmiedleitner. "Was sie aber haben, ist eine bissige und bösartige Sprache. Mit dieser Waffe schlängeln und lavieren sie sich durchs Leben. Das ist bei Nestroy immer sehr komisch, manchmal bissig und böse, aber auch sehr lustig."

Mehr als eine Hetz

Rhythmus und Melodie der Nestroy'schen Sprache treten dabei immer wieder in einen Dialog mit der Musik von Matthias Jakisic, die von einem Streich-Quintett live zu den Szenen einspielt wird und an die Stelle gesungener Couplets tritt. Georg Schmiedleitner ist im Nestroy-Fach kein Unerfahrener: Mit der Inszenierung des Zerrissenen gab er 2001 sein Hausdebüt; und schon damals hieß es, er habe Nestroy "die Posse ausgetrieben".

"Nestroy könnte auch ein heutiger Autor sein. Er muss nicht unbedingt verkitscht werden. Die Sprache muss nicht unbedingt im Wienerischen allein angelegt sein. Im Hochdeutschen wirken seine Texte noch bösartiger und treffender", sagt Schmiedleitner. Seine Nestroy-Inszenierung macht jedenfalls deutlich: Bei "Liebesgeschichten und Heiratssachen" handelt es sich nicht nur um eine gemütliche Hetz, sondern um zeitlose Gesellschaftssatire.

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Burgtheater - Liebesgeschichten und Heiratssachen

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