Junge Frau im Stiegenhaus

Astrid Knie

Premiere

"Die Wildente" in der Josefstadt

Henrik Ibsens Schauspiel "Die Wildente" hat am Donnerstag im Theater in der Josefstadt Premiere. Das Stück über Lebenslüge und Wahrheitsfanatismus wird von der mehrfach ausgezeichneten slowenischen Regisseurin Mateja Koleznik inszeniert. In den Hauptrollen sind Raphael von Bargen, Roman Schmelzer oder Gerti Drassl zu sehen. Letztere war vor 15 Jahren die Figur der Tochter Hedwig an der Josefstadt, jetzt übernimmt sie die Mutterrolle.

Überbordende Energie

Für die Wildente gibt es vielerlei Zubereitungsarten - man kann sie dreieinhalb Stunden im Rohr lassen, man kann sie aber auch nur kurz anbraten - wofür sich die Regisseurin Mateja Koleznik entschieden hat. Sie verknappt das Stück auf eineinhalb Stunden, legt ihren Fokus ganz auf die Figurenzeichnung und verlegt die Handlung in ein enges steiles Stiegenhaus.

Morgenjournal, 3.5.2017

"Aus meiner Erfahrung mit Ibsen-Stücken weiß ich, dass das Wichtigste bei ihm diese überbordende Energie ist: Keine der Figuren kann warten, bis sie es sich gemütlich im Salon gemacht hat, alle sind physisch und psychisch so angespannt, alles muss sofort raus. Deshalb hab ich diesen Zwischenraum und Übergangsraum gewählt, wo jeder gleich zu sprechen beginnt, ohne sich Zeit für Smalltalk zu nehmen", sagt Mateja Koleznik.

Wiedersehen mit Konsequenzen

In der Wildente geht es um zwei Freunde, die sich nach Jahren wiedertreffen. Der eine Gregers Werle möchte die Scheinwelt und die Lebenslügen, mit denen sein Freund Hjalmar Eckdal glücklich lebt, aufdecken - einschließlich der Tatsache, dass dessen Frau ihn betrogen hat, und die gemeinsame Tochter Hedwig nicht von ihm sein könnte. Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, sagt Ingeborg Bachmann, doch bei Ibsen sind die Konsequenzen fatal.

Maresi Riegner (Hedwig) und Gerti Drassl (Gina Ekdal)

Vor 15 Jahren hat die junge Gerti Drassl als Hedwig in der "Wildenten"-Inszenierung von Dietmar Pflegerl auf sich aufmerksam gemacht. Eine Rolle, die heute Maresi Riegner (bekannt durch den Dieter-Berner-Film "Egon Schiele - Tod und Mädchen") übernimmt; Drassl selbst ist als Mutter Gina zu sehen.

Astrid Knie

Was die Charaktere heutig macht

"Alle Charaktere sind selbstsüchtig und empathielos, das macht sie so heutig. Sie handeln, um einem gewissen Bild von sich zu entsprechen", betont die Regisseurin. "Der Schein ist mehr wert als das Sein, und dass am Ende der Tod des Mädchens steht, jenes schwächsten Gliedes dieser Gesellschaft, verwundert nicht. Aber die Figuren sind nicht schwarz-weiß gemalt - die Figur des Aufdeckers Gregers etwa - das ist kein Mephisto, er tut das, weil er selbst ein Mann ist, der den Erwartungen seines eigenen Vaters nie entsprochen hat, und wohl auch eine Enttäuschung für sich selbst ist."

Ich bin wie ein Tsunami über die Josefstadt gekommen, sagt Mateja Koleznik lachend über sich selbst, sie habe hier unmögliche Dinge von den Schauspielern verlangt und liebe ihren Job in Wien. Mag sein, dass sie mit ihrer sehr konzentrierten Wildentenzubereitung nicht jedermanns Geschmack trifft - kosten sollte man sie aber auf alle Fälle.

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