Historisches Foto: Kaufhaus Rothberger am Stephansplatz

Österreichische Nationalbibliothek

Leporello

"Kauft bei Juden": Die zerstörte Geschichte der Wiener Kaufhauskultur

Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Wien zeichnet die Tradition der Warenhäuser im Wien der Monarchie nach. "Leporello" berichtet.

Weshalb besitzt Wien kein Printemps, Harrods oder Rinascente? Die Tradition der legendären Warenhäuser gab es auch in der Donaumonarchie mit vergessenen Institutionen wie dem Rothberger oder der Maison Zwieback. Die jüdisch geprägten Kaufhausdynastien wurden von den Nazis vertrieben oder in der Schoah ermordet.

Marginale Restitution

Das Jüdische Museum Wien widmet dieser Epoche nun unter dem provokanten Titel "Kauft bei Juden!" eine eigene Ausstellung. "Die Tatsache, dass heute kein einziges dieser großen Kaufhäuser mit Ausnahme des Gerngross existiert, hat seine Wurzeln in der Schoah", stellte bei der Präsentation Kuratorin Astrid Peterle klar. Nach dem "Anschluss" wurden die Unternehmen sehr schnell "arisiert" - was auch nach dem Zweiten Weltkrieg nur teilweise rückgängig gemacht wurde. "Die Restitution fiel mager aus", unterstrich Direktorin Danielle Spera unter Verweis auf die Familie Zirner (die Erben der exzentrischen Ella Zirner-Zwieback) oder die Familie Rothberger.

Wiener Stephansplatz, Kaufhaus Rothberger

Sammlung Eduard Konrad

Kuratorin Astrid Peterle

"Ich gehe auf die Mariahilferstraße, auf den Stefansplatz und die Kärntnerstraße und ich kann nicht nie mehr den gleichen Blick haben wie davor, weil ich weiß, was da fehlt."

Leerstellen im Stadtbild

Die Ausstellung bildet dabei das Thema in seiner Breite ab, von der luxuriösen Maison Zwieback in der Kärntner Straße bis zum Kaufhaus Dichter in Ottakring für den kleineren Geldbeutel. So fanden sich etwa im Rothberger gegenüber dem Stephansdom die ersten elektrischen Aufzüge oder Rolltreppen der Stadt. "Heute ist von dieser Pracht nur mehr das Looshaus über", verwies Spera auf das einstmalige Goldman & Salatsch. Stilistisch orientiert man sich bei der Ausstellungsarchitektur an den aufwendigen Ladenfronten und hat die Schaukästen in kleine Schaufenster verwandelt.

Ursprüngliche Beispiele für gelungene Migration

Dabei sei das Entstehen der Kaufhausdynastien auch eine erfolgreiche Migrationsgeschichte, betonte Peterle: "Ein Großteil der Unternehmer wurde nicht in Wien geboren, sondern ist aus Deutschland oder den anderen Teilen der Monarchie zugewandert." Zugleich geht der Fokus der Schau über die jüdische Geschichte der Häuser hinaus und zeichnet auch die Architektur und Inszenierung der Standorte nach.

Roz McNulty

Mantel Zwieback, Sammlung Claus Jahnke

Die Rolle der Frauen

Unter der Kapitelüberschrift "Zutritt nur für Personal" wird die neue Berufswelt beleuchtet, die durch die neuen Kaufhäuser entstand, gehörten diese doch zu den wenigen Orten, an denen sich Frauen unbehelligt alleine aufhalten konnten. Auch entwickelte sich mit der Verkäuferin ein neuer Berufsstand für Frauen. "Damals ist ein neues Selbstverständnis für Frauen ist entstanden", so Spera.

Kuratorin Astrid Peterle

Spurensuche auf kanadischen Flohmärkten

Erhalten ist von dieser Warenhaus-Geschichte heute nur mehr wenig. "Die hier repräsentierte Geschäftskultur ist unwiederbringlich verloren", bedauerte Peterle. Namen wie Rothberger und Goldman & Salatsch sind heute nicht nur aus dem Stadtbild, sondern auch dem Gedächtnis nahezu verschwunden. Aber vielleicht ermöglicht die aktuelle Schau einen etwas anderen Blick beim Gang durch die Einkaufsstraßen Wiens.

Text: APA/Red.