Häuser und Bäume

ORF/FLORIAN WAITZBAUER

Stärkung der Stadtkerne

Bund beschließt Baukultur-Leitlinien

Am Dienstag wurden im Ministerrat baukulturelle Leitlinien für Österreich beschlossen. Dieses Bekenntnis des Bundes zu seiner Verantwortung für die heimische Baukultur ist das Resultat einer mehr als zehnjährigen Arbeit des Beirates für Baukultur, in dem sämtliche mit dem Bauen befasste Ministerien sowie Länder und Gemeinden vertreten sind. Die wichtigsten Themen der Leitlinien: die Stärkung der Stadt- und Ortskerne und eine Reduzierung des Flächenverbrauchs.

Morgenjournal, 23.8.2017

Sabine Oppolzer

Kulturjournal, 23.8.2017 - Expertengespräch

Was wird sich durch diesen Beschluss ändern? "Es ist ein Versuch, Baukultur in Österreich zu verändern. Viele, die in dem Bereich tätig sind, müssen ihr Bewusstsein, ihr Verhalten ändern und so zu diesem Kulturwandel beitragen." Robert Temel, Sprecher der Plattform Baukulturpolitik und Mitglied im Beirat für Baukultur im Bundeskanzleramt

Sabine Oppolzer

Erster Schritt in die richtige Richtung

Der Handlungsbedarf wäre groß: Jedes Jahr werden in Österreich landwirtschaftliche Böden in der Größe Manhattans zu Straßen, Parkplätzen Häusern oder Lagerhallen verbaut. Damit sind wir im EU-Vergleich trauriger Spitzenreiter, was den Flächenverbrauch pro Kopf betrifft. Während die Bevölkerung seit Mitte des letzten Jahrhunderts nur geringfügig gewachsen ist, hat sich die bebaute Fläche fast verdreifacht.

Doch sind die gestern verabschiedeten 20 Leitlinien nur ein erster Schritt in die richtige Richtung: Sie stellen nur eine freiwillige Selbstbindung des Bundes dar, sollen aber in Zukunft zu Gesetzesänderungen führen. Eine erste konkrete Eingriffsmöglichkeit wäre der nächste Finanzausgleich, der die Verteilung der öffentlichen Einnahmen auf Bund, Länder und Gemeinden regelt.

"Raumblinder" Finanzausgleich

Robert Temel, der Sprecher der Plattform für Baukulturpolitik, erklärt, dass der Finanzausgleich bisher sozusagen "raumblind" war. Beim Finanzausgleich wurde bisher überhaupt nicht berücksichtigt, ob ein neues Gebäude mitten in einer unberührten Landschaft errichtet werden sollte oder an einem sinnvollen Ort. In Zukunft müsste beim Finanzausgleich darauf geachtet wird, dass mit dem Raum verantwortungsvoll umgegangen wird.

Weitere Maßnahmen

Als nächstes sollen auch bestehende Gesetze auf ihre Auswirkung auf den Flächenverbrauch überprüft werden, ebenso wie steuerliche Maßnahmen, die den motorisierten Individualverkehr fördern. Dazu gehören etwa die Pendlerpauschale, Dienstnehmerfahrzeuge oder die Dieselförderung. Außerdem sollen die Wohnbauförderung, die Wirtschafts- und Landwirtschaftsförderung in Hinblick auf negative Effekte auf den Flächenverbrauch unter die Lupe genommen werden.

Vorbild Deutschland

Dass es prinzipiell möglich wäre, weniger Fläche zu verbrauchen, zeigt schon eine Reise ins Nachbarland Deutschland: Dort gibt es strengere Gesetze auf Bundesebene, und es gibt in einzelnen Ländern ein anderes Bewusstsein als in Österreich. Außerdem ist das Bauen in Deutschland Bundessache und in Österreich Ländersache. Weshalb der Bund bei uns nicht so leicht durchgreifen kann.

"Innenentwicklung vor Außenentwicklung"

Da in Österreich die Kompetenz der Raumplanung bei den Ländern liegt, sind hier Bundesländer wie Tirol oder Salzburg Vorreiter. Sie haben auch bei uns den deutschen Slogan "Innenentwicklung vor Außenentwicklung" eingeführt. Sie setzen die baukulturellen Leitlinien schon um - etwa, dass man Einkaufszentren nicht mehr auf die grüne Wiese baut, sondern in die Ortskerne, wo sie weniger Platz verbrauchen und weniger Verkehr erzeugen.

Schlusslicht Österreich

Während man sich in den skandinavischen Ländern, den Niederlanden oder Frankreich schon seit 30 Jahren um Baukultur bemüht und in den letzten Jahren auch Länder wie Kroatien oder Ungarn Richtlinien zur Baukultur erlassen haben - hat Österreich erst gestern nach gezogen.

Service

Heute im "Kulturjournal" (17:09 Uhr): Robert Temel, Sprecher der Plattform Baukulturpolitik und Mitglied im Beirat für Baukultur im Bundeskanzleramt, im Gespräch.

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