Frau schaut in die Ferne

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"Die beste aller Welten" im Kino

Schöne Kindheit unter Junkies

Scheinbare Gegensätze bringt der junge österreichische Filmemacher Adrian Goiginger in seinem Spielfilmdebüt "Die beste aller Welten" unter einen Hut. Bei der Berlinale hatte der Film seine Weltpremiere und bei der Diagonale räumte er gleich drei Preise ab.

Morgenjournal, 8.9.2017

"Sehr, sehr ehrlich und sehr, sehr packend"

Wolfgang Popp

Was ist schon normal

Ein gesichtsloser Wohnblock am Rand von Salzburg, eine verwahrloste Erdgeschosswohnung, in der eine Gruppe von Junkies zusammenkommt um Musik zu hören, Bier zu trinken und sich den nächsten Schuss zu setzen. Das ist der ungewöhnliche Abenteuerspielplatz, auf dem der siebenjährige Adrian seine Kindheit verbringt. Filmemacher Adrian Goiginger: "Der Film ist erzählt aus der Sicht des Kindes und für ein Kind ist immer die Welt, in der es lebt, normal. Und wenn die Liebe von der Mutter kommt, ist es eben die beste aller Welten, egal ob die Eltern drogenabhängig sind oder nicht."

Adrian Goiginger muss es wissen, denn die Geschichte, die er hier erzählt ist seine eigene. Und die Normalität, die er behauptet, die teilt sich auch wirklich mit. Etwa wenn die Entzugserscheinungen der Mutter auch nicht mehr Gewicht haben als in anderen Familien eine Magenverstimmung mit Übelkeit und Erbrechen. Adrian Goiginger: "Das ist für mich auch kein Drogenfilm, sondern ein Liebesfilm. Drogenfilme gibt es genug. Und für mich war es wichtig, jeder Figur mit Respekt zu begegnen, nicht zuletzt, weil es sich bei ihnen ja um meine Freunde und Eltern handelt."

Bub zündet Zigarette an

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Das Rätsel Mutter

Goigingers Eltern haben beide den Entzug geschafft. Auslöser für den Filmemacher, sich eingehend mit seiner ungewöhnlichen Kindheit zu auseinanderzusetzen, war aber erst der frühe Krebstod der Mutter. Adrian Goiginger: "Wie schafft es eine Mutter, alleinerziehend und arbeitslos, trotz ihrer Sucht, eine so tolle Mutter zu sein? Das war für mich eigentlich das Spannendste."

Beinharte Recherche

90 Prozent Realität und 10 Prozent Fiktion beziffert Goiginger das Verhältnis in seinem Film. Dementsprechend wichtig war ihm die lange Vorbereitungs- und Probenzeit mit den Schauspielern, um das Milieu auch wirklich authentisch auf die Leinwand zu bekommen. Adrian Goiginger: "Wir sind gemeinsam mit den Schauspielern in die Drogenszene gegangen. Waren bei Junkies dabei, wenn die gespritzt haben. Die haben uns alles erklärt. Bisschen grauslich war das zwar teilweise, aber, wie ich glaube, trotzdem wichtig zu sehen. Außerdem war mein Stiefvater, der selbst 21 Jahre lang heroinsüchtig war, als Fachberater am Set."

Salzburg minus Mozart

Oft trifft sich die Gruppe am wildromantischen Ufer der Salzach und ein einziges Mal, bei einem Spaziergang im Regen, ziehen auf der anderen Seite des Flusses der Dom und die altehrwürdigen Fassaden der Mozartstadt vorbei. Aber nur verschwommen wie ein Trugbild. Adrian Goiginger: "Für mich ist das Salzburg in meinem Film das eigentliche Salzburg. Dort bin ich aufgewachsen, am Stadtrand, im Drogenviertel. Und schon als Kind habe ich mit der Getreidegasse, den Festspielen und der Mozartschiene total gefremdelt. Das war für mich nicht Salzburg, aber in der Außenwahrnehmung ist es das sehr wohl. Und mir war es jetzt wichtig, den Salzburgern auch wirklich einmal einen Salzburger Film zu geben."

Filmplakat

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Ehrlich verdienter Erfolg

Dass "Die beste aller Welten" von Festival zu Festival weitergereicht wird und dort einen Preis nach dem anderen einheimst - auch für die überragende Darstellerin der Mutter Verena Altenberger - ist kein Wunder, denn der Tonfall, den der Film anschlägt, der ist wirklich besonders. Von einem rührseligen Sozialporno ist er nämlich genausoweit entfernt wie von einer undifferenzierten Anklage. Was er stattdessen ist? Einfach sehr, sehr ehrlich und sehr, sehr packend.

Gestaltung

  • Wolfgang Popp