Zeitungsinserate

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Medientransparenz

Länder-Inserate unter der Lupe

Die Stadt Wien inseriert deutlich mehr als alle anderen Bundesländer zusammen. Das zeigen auch die Pro-Kopf-Ausgaben, über die #doublecheck vergangene Woche berichtet hat. Aber wie sieht diese Berechnung aus, wenn man die Gemeinden dazuzählt? Immerhin ist Wien Gemeinde und Bundesland. Kann man das dann überhaupt vergleichen?

Ja, sagt Peter Sim von "Dossier": "Die Stadt Wien ist eines der neun Bundesländer." Die Rechercheplattform beschäftigt sich seit Jahren mit den Inseratenausgaben öffentlicher Stellen. Rechnet man die 87 größten Gemeinden der Bundesländer dazu, die ihre Ausgaben der Regulierungsbehörde RTR melden müssen, ändert das an der Größenordnung zwar etwas – aber nicht allzu viel. Wien mit über 120 Millionen liegt immer noch weit vorne. An zweiter Stelle ist Oberösterreich mit knapp 17 Millionen, an dritter Stelle Niederösterreich mit etwa 16 Millionen Euro.

Spendable Steiermark

Einige Besonderheiten sind #doublecheck bei der Recherche trotzdem aufgefallen. Da wäre zum Beispiel die Steiermark. Steirische Gemeinden geben am meisten für Werbung in Medien aus. Das Bundesland hat 3,6 Millionen ausgegeben – die Gemeinden sind von dieser Summe mit 2,5 Millionen Euro aber nicht weit entfernt. Ganz vorne sind neben der Landeshauptstadt Graz auch Bruck an der Mur, Leoben und Kapfenberg.

Inseraten-Ausgaben der Länder inkl. Gemeinden

Mehr Inserate vor Wahlen

Auch auffallend ist, dass sowohl manche Länder als auch manche Gemeinden besonders dann viel in Medien inserieren, wenn Wahlen anstehen. Kärnten, Oberösterreich, Salzburg und das Burgenland haben die Spendings während des Wahlkampfes hochgefahren. In den Quartalen vor der Wahl haben sie am meisten inseriert. Dasselbe gilt auch für eine Landeshauptstadt: Eisenstadt hat seit der Offenlegungspflicht nie Inserate gemeldet. Außer im Quartal vor der Landtagswahl im Mai 2015. Für Matthias Huter vom Forum für Informationsfreiheit ist das eine fragwürdige Verwendung öffentlicher Mittel.

Peter Sim schlägt in dieselbe Kerbe. Laut "Dossier" inserieren auch Ministerien im Wahlkampf fleißiger. Das werde als Parteiwerbung wahrgenommen, sagt Peter Sim: "Wenn Ministerien im Wahlkampf schalten, unterstützen sie dadurch Parteien und das mit öffentlichen Geldern. Das ist nicht ihre Aufgabe." "Dossier" startet anlässlich der Nationalratswahl übrigens wieder ein sogenanntes Inseratenrennen. Dabei zählen sie alle Inserate von Parteien, Ministerien und anderen öffentlichen Stellen - nicht nur jene, die unter das Transparenz-Gesetz fallen.

Kritik am Medientransparenzgesetz

Parteien müssen ihre Inserate nicht melden. Das Medientransparenz-Gesetz gilt nur für die knapp 5.800 öffentlichen Rechtsträger, die der Kontrolle des Rechnungshofes unterliegen. Das Gesetz, das seit Mitte 2012 gilt, war für viele ein großer Schritt in Richtung mehr Transparenz. Erfassen tut es aber nicht alles. Laut Rechnungshof kommt zu den offiziellen Inseratenausgaben noch eine Dunkelziffer von 30 bis 50 Prozent hinzu. Für Peter Sim und Mathias Huter geht das Gesetz noch nicht weit genug. Da wäre zum einen die Bagatellgrenze von 5.000 Euro. Ausgaben, die darunter liegen, müssen nicht gemeldet werden. "Es gibt auch viele Inserate, die 4.990 Euro kosten", sagt Peter Sim. Das Forum für Informationsfreiheit fordert, dass schon Inserate ab 1.000 Euro gemeldet werden müssen.

Nicht-periodische Medien als Freibrief

Nicht gelistet werden außerdem Inserate in Medien, die seltener als vier Mal im Jahr erscheinen. Die Rechercheplattform "Dossier" beobachtet, dass seither Beilagen, die nur ein bis drei Mal im Jahr erscheinen, zunehmen. Was dort inseriert wird, fällt unter den Tisch. Noch einmal ein burgenländisches Beispiel: Vor der Landtagswahl im Burgenland erschien eine "Kurier"-Beilage voller Inserate des Landes. Da die Beilage kein periodisches Medium ist, mussten die Inserate nicht gemeldet werden. Eine Anfrage des Forums für Informationsfreiheit in dieser Angelegenheit blieb unbeantwortet. Mit dem Hinweis: Man habe doch das Medientransparenz-Gesetz, mehr müsse man nicht offenlegen.

Was war die Leistung?

Ein wesentlicher Kritikpunkt am Medientransparenz-Gesetz ist außerdem, dass nicht klar ist, welche Gegenleistung für die erbrachten Summen erfolgt. "Es muss nicht aufgezeichnet werden und gemeldet werden, was man für das Geld, das man bezahlt, bekommt. Wenn ich 10.000 Euro zahle, ob ich da ein Inserat bekomme oder zehn – das wird nicht gemeldet." So könnte auch mehr Geld in Medien fließen, als vielleicht nötig: "Es steht auch der Vorwurf im Raum, dass öffentliche Stellen mehr für ihre Inserate zahlen als Private", sagt Peter Sim von "Dossier".

Abhängigkeit durch Inserate

Für viele Medien sind die Inserate öffentlicher Stellen überlebensnotwendig. Die magere Presseförderung ist im Vergleich zu den Inseraten nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dadurch seien Abhängigkeiten entstanden, sagt Peter Sim. "Die Medien brauchen mittlerweile das öffentliche Geld und die Politiker haben Angst, wenn sie nicht mehr schalten, dass die Berichterstattung schlechter wird."

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