Baujahr '67

Ein kollektives Generationen-Puzzle - Teil II

Wir wollten die "Generation Ö1" kennenlernen und haben alle Ö1 Club-Mitglieder, die selbst vor fünfzig Jahren, 1967, das Licht der Welt erblickten, eingeladen, mit uns Ihre Gedanken zu teilen.

Peter Hörlezeder, Geschäftsführer einer Werbeagentur

Was hat mich geprägt:

  • Großartige Eltern
  • Eine glückliche Kindheit im ländlichen Raum
  • Ein Jahr Schüleraustausch in den USA als ich 16 war und ein weiterer längerer Aufenthalt in den USA als Student
  • seit 50 Jahren viele interessante Menschen in meinem privaten und beruflichen Umfeld
  • Sport (wenig Konsequenz, aber viel unterschiedliches)
  • Musik
  • meine Lehrtätigkeit an verschiedenen Unis
  • Ein schwerer Unfall als Paragleiter, der mich eine Zeit lang gelähmt an den Rollstuhl fesselte. Dem ich aber mit viel Glück und auch vielleicht etwas Konsequenz entkommen bin.
  • Dieses Land mit seiner Schönheit, seinen Möglichkeiten und seinen Menschen
Begleitet mich Ö1 schon immer? In den frühen Jahren hab ich immer lautstark protestiert, wenn meine Eltern beim Autofahren Ö1 oder am Sonntag morgen hören wollten. (Schön, dass das heute bei meinen Kindern anders ist. Oder sie beschweren sich zumindest nicht lautstark. Auch wenn mein 10 jähriger dann doch lieber mal wieder auf Ö3 wechselt, mein 20 jähriger FM4 den Vorzug gibt und meine 24 jährige überhaupt lieber ihre eigene Musik vom Handy hört.) Aber ehrlich, ich habe die Qualität von Ö1 erst im Erwachsenenalter schätzen gelernt. Und meine Zuneigung wird tatsächlich von Jahr zu Jahr größer. Seit ich digital Zugang zu Radiosendern auf der ganzen Welt hab, bin ich auch wirklich davon überzeugt, dass Ö1 einer der besten Programme der Welt ist. Was ich besonders liebe: Frühjournal, Mittagsjournal (wenn ich zu der Zeit zufälltig im Auto sitze), Radiokolleg (das hör ich auch manchmal digital nach), Ambiente und Menschenbilder am Sonntag.

Herbert Krienzer, Jodellehrer

Eines meiner stärksten Kindheitserinnerungen sind für mich die Menschenbilder am Sonntag-Nachmittag. Meine Mutter, eine einfache Frau aber immer sehr an allem interessiert, hat sie regelmäßig beim Abwaschen gehört. So ist die Kennmelodie, ich glaube sie war von Schuhmann, für mich zu einem Schlüsselreiz für Kindheit, Vertrautheit, Geborgenheit und Zeit haben geworden.
Über viele Schleifen, die das Leben für mich parat hatte, bin ich heute Jodellehrer. Eine kleine Kostprobe im Anhang.

Gabriele Faber-Wiener, Aktionärin und Professorin

Ich habe mit ca. 18 Jahren begonnen, mich mit Ökologie und Verantwortung zu beschäftigen. Der Reaktorunfall in Tschernobyl hat mich Ende der 80er Jahre gemeinsam mit Freunden dazu bewegt, eine lokale Greenpeace-Gruppe in Salzburg zu gründen. Nachdem ich den Großteil meiner Freizeit dafür verbracht hatte beschloss ich 1989, mein Hobby zum Beruf zu machen und nach Wien zu gehen, wo ich jahrelang die Osteuropa- und Anti-Atomkampagne von Greenpeace leitete - mitten drin in den spannenden Umbrüchen während und nach der Ostöffnung. Den Dezember 1989 verbrachte ich am Prager Wenzelsplatz, gemeinsam mit Hundertausenden Demonstranten der "samtenen Revolution", in einem großen Greenpeace-Bus, mit dem wir Aufklärungsmaterial über Temelin und Tschernobyl verteilten. Umweltschutz ging damals allen unter die Haut. Daher arbeitete ich während meiner Karenzzeit drei Monate für die Grünen, und zwar im Wahlkampf Johannes Voggenhubers für das Europäische Parlament, in das dieser 1995 erfolgreich einzog. Die Grünen waren damals in einer Umbruchphase, und neben politischen Diskussionen erinnere ich mich auch an große interne Spannungen und Richtungsstreitigkeiten, darunter die Kernfrage ob und wie weit man sich vom Öko-Thema weg- und zu sozialen Themen hinbewegt, die damals immer größer und augenscheinlicher wurden.

Nach der Umweltbewegung kam daher auch das Zeitalter der Humanitären Hilfe - der Krieg am Balkan und andere große Konflikte rückten ins Licht der Öffentlichkeit und immer näher auch nach Österreich, so auch bei mir. Ich ging zu "Ärzte ohne Grenzen", wo ich als Kommunikationschefin die Aufgabe übernahm, die damals kleine und in Österreich völlig unbekannte Organisation mit aufzubauen und bekannt zu machen. Das war nicht leicht. Obwohl Ärzte ohne Grenzen mit über 20.000 MitarbeiterInnen weltweit eine der größten Organisationen war, mussten wir in Österreich praktisch bei Null anfangen. Auch bei den Medien: Kaum ein Journalist kannte uns - bis auf ein paar wenige Ausnahmen wie zum Beispiel Michael Kerbler von Ö1 oder Christian Fillitz von Radio Austria International - ein Radio-Programm das leider später eingestellt wurde. In den darauffolgenden 9 Jahren bei Ärzte ohne Grenzen war ich auch immer wieder als Interviewpartnerin im Studio von Ö1 zu Gast - zu Themen wie HIV/Aids und anderen Krankheiten, aber auch zu humanitären Fragen und aktuellen Konflikten, die leider immer zahlreicher wurden. Unvergessen aus der Zeit sind auch meine zahlreichen Reisen in die Einsatzgebiete - und der Friedensnobelpreis den wir 1998 erhielten.

Dann kam die Zeit der fortschreitenden Ökonomisierung. Auch ich habe bereits während meiner Zeit bei Ärzte ohne Grenzen begonnen, mich immer mehr mit dem Thema Ethik und Management zu befassen. Daher nahm ich auch das Angebot an, bei Grayling (damals Trimedia), der größten PR-Agentur des Landes, einen Director-Posten zu übernehmen und Ministerien und Nonprofit-Organisationen sowie Unternehmen im Bereich Corporate Social Responsibility zu beraten und zu unterstützen. Nach zwei internationalen Master-Studien in diesem Fachbereich wurde mir immer klarer, dass Ethik DIE Schlüsselfrage für die nächsten Jahrzehnte werden würde, vor allem in Unternehmen, die ja mittlerweile weltweit die Macht der Politik in vielen Bereichen weit überholt haben, mit dem Unterschied dass sie andere Ziele verfolgen die oft im diametralen Widerspruch zu gesellschaftlicher Verantwortung stehen.

Viele Menschen, vor allem Manager, mit denen ich gearbeitet habe, leben nach dem 2-Welten-Prinzip: Privat engagiert, reflektiert und verantwortungsvoll, im Job völlig den (scheinbaren) Sachzwängen unterworfen. Um dagegen anzugehen, gründete ich 2012 gemeinsam mit einer Kollegin das Center for Responsible Management, in dem wir Beratung, Vorträge, Seminare und Publikationen zu Unternehmensethik und verantwortungsvoller Unternehmensführung durchführen. In der Zusammenarbeit mit verschiedensten Unternehmen seither hat sich für mich bestätigt, dass der Schlüssel die systematische Reflexion ist. Diese ist bei uns so gut wie nirgends institutionalisiert - weder in Unternehmen noch Organisationen, von der (österreichischen) Politik ganz zu schweigen. Die Folge davon: Der Verlust von Vertrauen und Glaubwürdigkeit im Lauf dieser Jahrzehnte der Ökonomisierung. Vor allem die abnehmende Glaubwürdigkeit ist heute eine der größten Herausforderungen von Unternehmen, NGOs bis hin zur Politik.

Ein Schlüssel dabei ist die Kommunikation. Auch hier haben wir in den letzten Jahrzehnten eine massive Veränderung erlebt, mit der viele nicht zurechtkommen. Neue Entwicklungen machen nicht nur den Rezipienten, sondern auch den Unternehmen und Organisationen zu schaffen, und ethische Übergriffe sind an der Tagesordnung. Daher habe ich im Jänner 2016 den Vorsitz des Österreichischen PR-Ethikrates übernommen. Ziel dieses Gremiums ist es, in der Kommunikation "Watchdog" zu sein, also beispielweise die Vermischung von redaktionellen Beiträgen und Werbung zu unterbinden - höchst aktuell im Social Media-Bereich, wo diese Vermischung immer stärker wird, ohne dass die Rezipienten das wahrhaben und wissen.

Ich unterrichte diese Schlüssel-Themen Ethik und Verantwortung in Kommunikation und Management an mittlerweile 10 Universitäten in Österreich und Deutschland, dh bin immer mehr von der Beratung in die Lehre gerutscht, da ich glaube dass man vor allem bei den Jüngeren, den zukünftigen Managern und Führungskräften ansetzen muss - und weil ich merke dass dort die Offenheit für Veränderung und neue Wege noch vorhanden ist, im Gegensatz zu vielen Vorständen von großen Unternehmen und Institutionen mit denen ich zu tun hatte und habe, wo Saturierung, Druck und Ökonomismus vorherrschen.

Ein zentrales Resumee aus meiner - vermutlich nicht ganz durchschnittlichen, aber sehr spannenden - 50jährigen Erfahrung: Prinzipien zahlen sich aus, als Mensch und als Organisation. Man riskiert zwar, eine auf den Deckel zu kriegen wenn man den Kopf aus dem Fenster streckt - aber man wird auch nicht übersehen. Damit habe ich bisher sehr gut gelebt, und habe vor, es auch weiterhin zu tun.