Dizzy Gillespie spielt Trompete

AFP / ELEONORE BAKHTADZE

Der Eigenbrötler und der Bühnenclown

100 Jahre: Thelonious Monk und Dizzy Gillespie

Beide kamen aus Kleinstädten im Südosten der USA. Der eine aus Cheraw, South Carolina, der andere aus dem rund 230 Kilometer Luftlinie entfernten Rocky Mount, North Carolina. Beide wurden im Oktober des Jahres 1917 geboren. Und beide waren Anfang der 1940er Jahre in New York an jenen Jamsessions in Minton’s Playhouse und anderen Clubs in Harlem beteiligt, in denen ein neuer, virtuoser, sich vom zuvor populären Swing als rein konzertanter Musik abhebender Jazzstil entwickelt wurde, der wenige Jahre später unter dem Namen Bebop bekannt wurde. Diesen erstaunlichen Parallelen zum Trotz sind es allerdings primär die Unterschiede, die zwischen Trompeter Dizzy Gillespie und Pianist Thelonious Monk ins Auge stechen. Unterschiede, die diese zwei Musiker durchaus als Antipoden erscheinen lassen, obwohl sie beide als stilbildende Protagonisten in die Jazzgeschichte eingegangen sind.

Der 1993 verstorbene Dizzy Gillespie, der am 21. Oktober seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte, war die Extravertiertheit in Person: als Trompeter ein Musiker von bisher unbekannter Technik, ein Meister von raketengleich in höchste Register schießenden und doch ideenreichen Tonkaskaden, als Mensch ein mit humoristischem Talent und Neigung zu verrückten Streichen ausgestattetes Bühnentier, das nicht zufällig den Spitznamen "Dizzy" (zu Deutsch: schwindlig) trug. Kauzige Ansagen, gewitzte Scat-Vocals und etwa auch die spaßhalber verlautbarte Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahlen des Jahres 1964 sorgten dafür, dass der musikalische Pionier und Innovator, zu dessen Meriten auch die Entwicklung des afrokubanischen Jazz zählte, zuweilen hinter der Medienfigur Dizzy Gillespie zurückstand.

Thelonious Monk am Klavier

AFP PHOTO ELEONORE BAKHTADZE

Thelonious Monk dagegen, elf Tage älter als Gillespie: Der rätselhafte Eigenbrötler, der schweigsame Sonderling, dessen singuläres, knorriges Spiel wie aus der Zeit gefallen wirkt. So auch beschreibt Peter Niklas Wilson Monk im bei Reclam erschienenen zweibändigen Jazz-Klassiker-Kompendium treffend mit den Worten "zwar ein Musiker der Bebop-Ära, aber eben kein Bebop-Pianist", kommt letzteres Prädikat doch eher Bud Powell zu, der die rasenden Läufe von Gillespie und dessen musikalischem Zwillingsbruder Charlie Parker auf das Klavier übertrug. Monks Spiel dagegen wirkte zugleich archaisch und avantgardistisch: Ersteres in den Stride-Piano-Anleihen, die auf den Einfluss des großen James P. Johnson zurückgehen, Zweiteres in der Verwendung von Ganztonskalen, kantig-dissonanten Sekundballungen wie auch kürzelhafter melodischer Logik.

Interessanterweise scheint auch der direkte Kontakt von Gillespie und Monk, die sich als Schöpfer wichtiger Jazzstandards wie Salt Peanuts, A Night in Tunisia, Round Midnight oder Misterioso verewigt haben, von geringer Frequenz gewesen zu sein. Gemeinsame Einspielungen sind an einer Hand abzuzählen: Aufnahmen von Thelonious Monk als Mitglied des Dizzy Gillespie Orchestra im Frühling 1946 und mit dem Gillespie/Parker-Quintett im Juni 1950 stehen zu Buche, dann gibt es erst 1969 und 1971/72 wieder eine Zusammenarbeit im Rahmen der All-Star-Tourneen "Stars of Bop" bzw. "Giants of Jazz", kurz bevor sich Monk ganz von der Bühne zurückzog. 1982 starb der Musiker im Alter von 64 Jahren.

Der Pianist Thelonious Monk und der Trompeter Dizzy Gillespie - zwei antipodische Pioniere des Jazz der 1940er Jahre: Es sagt wohl auch etwas über das flexible, offene Wesen des Jazz aus, dass zwei so konträre Persönlichkeiten der Geschichte dieser Musik ihren Stempel aufdrücken und nachhaltigen Einfluss ausüben konnten.