Fußballmanschaft Ataspor am Fußballplatz Südost, Wien 1981

Privat

Ausstellung

Geschichte der Arbeitsmigration im Wien Museum

"Geteilte Geschichte. Viyana - Bec - Wien" ist der etwas sperrige Titel einer Ausstellung im Wien Museum zum Thema Gastarbeiter, die heute eröffnet wird. Sogenannte Gastarbeiter waren die Menschen, die ab den 1960er Jahren aus Jugoslawien und der Türkei als Arbeitskräfte für eine befristete Zeit angeworben wurden. Die ausgestellten Alltagsobjekte und Filme eröffnen einen Einblick in den Alltag dieser Menschen - am Arbeitsplatz, in der Schule oder im Vereinsleben.

Morgenjournal, 4.10.2017

Sabine Oppolzer

Alltagsgeschichten aus den 60er und 70er Jahren

Von großen Leinwänden herab erzählen die Frauen und Männer von ihrem neuen Leben in Österreich. Ali Gedeck etwa, ein stämmiger Mann mit Bart ist mit 14 Jahren nach Vorarlberg gekommen und hat mit Hilfe von besprochenen Musikkasetten zehn Jahre lang mit seiner Familie und seinen Freunden in der Türkei kommuniziert. Diese Musikkasetten ermöglichten ihm, die Stimmen seiner Lieben zu hören und zu verbergen, dass er kurdisch sprach.

Mitarbeiterinnen einer Strumpffabrik

Priva

Mitarbeiterinnen einer Strumpffabrik im 5. Wiener Gemeindebezirk, um 1970

Die Kurdische Sprache war damals verboten in der Türkei. Die Kuratorin der Ausstellung, Vida Bakondy erklärt, Ali Gedeck habe vorne und hinten die Musik auf der Kassette gelassen und nur den mittleren Teil übersprochen, aus Angst, die türkischen Behörden könnten mithören - bei sensibleren Themen etwa, wer verhaftet wurde, oder wer etwas Verbotenes gemacht hatte.

Luxus: Hausmeisterwohnung

Vilija Stegic, damals aus Jugoslawien nach Wien gekommen, erzählt, sie sei glücklich gewesen, eine Hausbesorgerwohnung gefunden zu haben. Kokurator Gerhard Milchram erzählt, dass damals die Wohnverhältnisse der Gastarbeiter sehr prekär waren. Die Unternehmen stellten Unterkünfte zur Verfügung, in denen oft viele Menschen in einem Raum leben mussten, mit Dusche und Toilette am Gang. Da stellte eine Hausbeworgerwohnung einen enormen Fortschritt dar und bot gleichzeitig eine Arbeitsmöglichkeit.

Integration durch Spracherwerb war kaum ein Thema

Manchmal profane Alltagsdinge, wie ein kleiner blaugrüner Milchtopf, zeugen von der Kostbarkeit, die solche Küchengeräte damals für die Gastarbeiter/innen darstellten. Die Fotoserie des jugoslawischen Fotografen Yovan Ritabetschky zeigt etwa eine strahlende Frau beim Fetzensammeln. Darunter steht: "Fetzen um Fetzen - so kommt man zum Traktor und eigenen Haus."

Oder man sieht ein siebenjähriges Mädchen, das ein zweijähriges füttert. Darunter steht "Mama komm zurück." Das Bild verweist darauf, dass die Kinder der Arbeitsmigrantinnen oft unbeaufsichtigt waren. Klassenfotos lassen die Überangepasstheit der Gastarbeiterkinder erkennen, und Fotos aus der Arbeitswelt zeigen, dass diese Männer und Frauen vor allem in der Reinigung oder als Taxifahrer beschäftigt waren.

Fred Sinovatz in einer Schulklasse

Muttersprachlicher Zusatzunterricht, um 1977

Jovan Ritopecki

Die Gastarbeiterkinder in der Schule wurden zurückgestuft oder in die Sonderschule geschickt. Damals war es der Republik Österreich noch kein Anliegen, dass die Migranten Deutsch lernten. Es genügte, dass sie jung und fleißig waren. Wenn jemand einen Deutschkurs besuchte, dann in der VHS oder an der Uni Wien, auf Eigeninitiative.

Integration bedeutete: Auto und Fernseher kaufen

So erzählt diese Schau anhand anschaulicher Alltagsgeschichten, dass die Kulturalisierung der Integration erst in den 1990er und 2000er Jahren begann. Sie erzählt von einer Zeit, in der Spracherwerb noch nicht so wichtig schien und man schon als integriert galt, wenn man einen Fernseher, ein Auto oder die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben konnte.

Service

Wien Museum - Geteilte Geschichte. 5. Oktober 2017 bis 11. Februar 2018

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