Rapper auf Motorhaube zeigt auf Frau mit blonden Haaren

Viennale

Filmkolumne

"Patti Cake$" - Sozialdrama als Hiphop-Märchen

Der Traum von den großen Konzertbühnen, geboren in Perspektivenlosigkeit: Viele im Hiphop haben ihn vorgelebt - von Dr. Dre über Eminem bis Kendrick Lamar - und der Film "Patti Cake$" erzählt ihn einmal mehr. Rap als Ventil, um die Dämpfe des Unterschichtendaseins in einem politisch unterrepräsentierten Niemandslands abzulassen.

Hiphop und Kino

Eigentlich ist die kleine Independent Produktion des US-amerikanischen Regisseurs Geremy Jasper kein klassischer Hiphopfilm, sondern vielmehr ein Sozialdrama, eine Coming-of-Age-Geschichte, die über Rapmusik vom Traum eines anderen Lebens und von Selbstverwirklichung erzählt. Nach seiner Premiere beim Sundance Filmfestival gab es ein regelrechtes Wettbieten der großen Studios um die Filmrechte für die kleine Produktion.

Killa P., White Trish oder Patti Cakes. So heißt Patricia Dubrovski in ihren Träumen, in denen sie mit dicken Goldketten und Pelz um den Hals über ihren Fans schwebt. Im realen Leben ist Leichtigkeit ein Fremdwort und ihr Spitzname Dumbo. Die übergewichtige junge Frau hält sich, ihre Mutter - die längst an ihren eigenen Träumen zerbrochen ist - und ihre pflegebedürftige wie kettenrauchende Großmutter mit mehreren Teilzeitjobs über Wasser. Die heruntergekommenen Fassaden der Fabrikhallen zeugen von besseren Zeiten für den amerikanischen Arbeitertraum, sind Kulisse für die Sehnsucht nach einem Aus- und Aufstieg aus der US-amerikanischen Unterschichtenrealität. Ein Traum den der Film "Patti Cakes" zu Beginn mit jenen Klischees und Gangsterattitüden ausstattet, die sich der Hiphop über die Jahre angeeignet hat.

Von der Bronx nach Hollywood

Aber zurück auf Anfang, als der Hiphop in den 70er Jahren zuerst an der Ostküste, in der New Yorker Bronx, wie ein Phoenix aus der Asche von Gentrifizierung, Arbeits- und Perspektivenlosigkeit, Heroinkrise und Bandenkriegen emporstieg. Und wenig später dann, nur 30 Kilometer von Hollywood entfernt, der Bezirk Compton die Gangstarap Traumfabrik der Westküste wurde.

Die harte Realität wurde über die rohen Beats gelegt: Dem Elend entkommen, indem man es glorifizierte, so lautete die Grundformel: Hiphop als Ventil, als Verstärker der Stimmen vom Rande der Gesellschaft. Filme wie "Wild style" aus dem Jahr 1983, für viele der erste Hiphop-Film überhaupt, erzählten damals noch unbeholfen wie ehrlich aus einer sich formierenden Subkultur heraus, direkt zu ihrem jugendlichen Publikum. Die großen Gesten, die Musikvideos und Filme später als Wappenzeichen auf die Fahnen des Hiphop schrieben, waren da noch zaghaft und fast schüchtern.

Ok - nicht ganz. Rapper Slick Rick der 1984 mit "La-di-da-di" das Wort "bitch" in das Grundvokabular des Hiphop einführte, ließ sich schon damals mit Anzug und Krawatte, breit grinsend, die linke Hand im Schritt, in der rechten eine Champagnerflasche, ablichten. Der Traum des Buben aus der Bronx war längst Wirklichkeit geworden, der Hiphop auf dem Weg von der Subkultur zur Jugendbewegung und weiter zum Millionenbusiness, das mit seinen glitzernden Auslagen, in denen aus Limousinen heraus von einer harten Straßenrealität erzählt wurde, auch für die Traumfabrik immer attraktiver wurde. Und die hieß für manche ab den Nullerjahren nicht mehr nur Compton, sondern auch Hollywood.

Rapper wie "50 Cent" hatten gut lachen, wenn sich neben der Musiker-, auch eine Schauspiellaufbahn aufmachte und die Geschichte vom Gangmitglied zum Millionär durch den Hollywoodfilter erzählt wurde. Dabei war es ausgerechnet das autobiografisch angehauchte Drehbuch zur Vita eines weißen Rappers, das den Black American Dream 2002 für die großen Studios interessant machte. "8 mile" mit Eminem war der Türöffner für die Big-Drama-Musealisierung des Hiphop auf der Leinwand, die mit "Straigt outta compton" erst 2015 den letzten Publikumserfolg hervorbrachte.

Eine Frage der Haltung

Rassismus, Polizeigewalt, Diskriminierung. "Straigt outta compton" erzählt von den Anfängen des West Coast Gangsta Rap, als Pioniere wie Dr. Dre oder Ice Cube Waffen, Drogen und Kriminalität gegen Turntables und Mikros eintauschten - der Hiphop, nach dem Zerfall der Bürgerrechtsbewegung, zum Soundtrack der afroamerikanischen Jugend wurde. N.W.A nannte sich die Crew. "Niggas with attitude". Und um die "attitude", die Haltung geht es letztlich auch in "Patti Cake$".

Ihre Musik wie ihr Leben beginnen erst wirklich Spaß zu machen und zu funktionieren, wenn in ihren Texten der eigene Alltag an die Stelle der Klischees tritt. Sie anstatt der Träume, die ihr Idol im Elfenbeinturm mit großer Geste verkauft, ihre eigenen in Songzeilen verpackt. Der Rap als Ventil um die Dämpfe des Unterschichtendaseins in einem politisch unterrepräsentierten Niemandslands abzulassen. Der Film feiert dann die Wurzeln des Hiphop als Sprachrohr. Auch wenn Regisseur Geremy Jasper nicht immer das schafft, was Patricia Dumbrowski in ihren Liedern gelingt: Die Momente auch wirklich auszukosten, die sie sich erarbeitet hat.

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Patti Cake$

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