Resi (Maria Dragus) am Klavier

Christian Schulz

Kino

Barbara Alberts Film "Licht"

Die blinde Pianistin Maria Theresia Paradis galt im Wien des späten 18. Jahrhunderts als Sensation, ebenso wie der umstrittene Wunderheiler Franz Anton Mesmer, der die 18-Jährige mittels "magnetischen Fluidums" für einige Wochen kurieren konnte, bevor sie neuerlich das Augenlicht verlor. Die österreichische Filmemacherin Barbara Albert bringt diese Begegnung nun in ihrem neuen Spielfilm "Licht" auf die Leinwand.

Morgenjournal | 07 11 2017

Judith Hoffmann

Kulturjournal | 07 11 2017

Regisseurin Barbara Albert im Gespräch über Lichtgestalten, Hierarchien und die Rückentwicklung Europas.

Judith Hoffmann

Sensation der Peinlichkeit

Die Augen schweifen hastig und verloren durch den Raum, die Mundwinkel zucken im Takt, der Kopf samt überdimensionaler Perücke wackelt unkontrolliert - ein Konzert der blinden Pianistin Maria Theresia Paradis (herausragend: Maria Dragus) ist für die sensationslüsterne höfische Gesellschaft im Wien der 1770er Jahre immer auch eine Art Zirkusvorführung, eine willkommene Freakshow.

Und Barbara Albert lässt uns gleich in den ersten Einstellungen des Films zu ebensolchen sensationsgierigen Gaffern werden wie sie zu Hauf im Publikum sitzen. Lange Großaufnahmen des verzerrten Gesichts der Pianistin wechseln mit Reaktionen der Zuschauer, das Unbehagen wird immer größer, bis sich die Szene endlich in Applaus und einer Totalen auflöst.

Lieber blinder Freak als Durchschnitt?

Die Eltern wissen das blinde Wunderkind passabel zu vermarkten und tingeln von Konzertsaal zu Konzertsaal, während sie gleichzeitig von Behandlung zu Behandlung, von einer Hoffnung auf Heilung zur nächsten fahren. Ein dreimonatiger Kuraufenthalt beim empathischen Wunderheiler Franz Anton Mesmer soll der 18-Jährigen schließlich Heilung bringen.

Doch mit der kurzzeitigen Wiedererlangung des Augenlichts schwindet die Virtuosität der Pianistin. Kann sie sich über das wiedererlangte Sehvermögen freuen, wenn sie gleichzeitig den Preis der Gewöhnlichkeit und Durchschnittlichkeit dafür zu bezahlen hat? Es sei vor allem die Ambivalenz der Protagonistin gewesen, die sie an Alissa Walsers Romanvorlage "Am Anfang war die Nacht Musik" aus dem Jahr 2010 gereizt hätte, erzählt die Regisseurin Barbara Albert.

Zeitlos: Geltungsdrang und Machtgelüste

Ebenso wie Paradis ist auch Franz Anton Mesmer im Film eine ambivalente Gestalt, hin- und hergerissen zwischen selbstloser Empathie und selbstgefälligem Streben nach Anerkennung seiner Methoden bei Hof. Er wird zum Schlüssel der filmischen Erzählung, die weniger die medizinische Sensation und den bitteren Rückfall nach der Heilung in den Fokus nimmt, als vielmehr das gesellschaftliche Machtgefüge rundherum, vom adeligen Geltungsdrang bis zum Dienstbotenschicksal.

Gerade in der Waschküche gelingt Alberts Bestreben nach historischer Echtheit und Plastizität mit Abstand am besten, vor allem dank lebendiger Dialoge (Drehbuch: Kathrin Resetarits) und großartiger schauspielerischer Leistungen. Aber auch sonst zieht der opulent ausgestattete Historienfilm durchgängig subtile Parallelen zur Gegenwart, etwa in der gelungenen Darstellung einer Gesellschaft, die in ihrem Gaffen und Bloßstellen, in ihrem Drang nach Sensation und Inszenierung der heutigen nicht unähnlich ist.

Kleine Überzeichnungen, große Metapher

Gerade eine solche Inszenierungswut ist es auch, die - das macht der Film sehr subtil spürbar - für Paradis das Leben schwer und die Welt um sie herum wieder finster werden lässt. Ein mehr symbolischer als echter Zusammenstoß mit der Mutter löst den Rückfall aus, später wird Maria Theresia Paradis, wieder völlig erblindet, ihre Karriere erfolgreich fortsetzen und auch als Komponistin reüssieren können.

Albert spart diese späten Jahre aus und konzentriert sich ganz auf die dreimonatige Episode in der Kuranstalt. Bei aller Sorgfalt und Akribie im Bemühen um historische Authentizität sind dabei manche Figuren etwas zu schrill, manche Dialoge etwas zu hölzern geraten. Dennoch ist der Streifen eine gelungene Metapher auf historische und gegenwärtige Geschlechter- und Gesellschaftskonstrukte.

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