Mann in der Wüste

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Lebenskunst

Spuren der Bibel in der Alltagssprache

Wer kennt ihn nicht, den sprichwörtlichen "einsamen Rufer in der Wüste". So nennt man jemanden, der vergeblich vor etwas warnt oder auf dessen warnende Botschaft niemand hören will. Aber wer kennt heute noch den Ursprung dieser Wendungen und Sprichwörter? Viele von ihnen stammen aus der Bibel

Nicht nur der einsame Rufer stammt aus der Bibel, auch Prediger in der Wüste: Er kommt etwa im Johannesevangelium vor. Nach katholischer Leseordnung wird die Perikope am dritten Adventsonntag gelesen, der einsame Rufer ist Johannes der Täufer, der sich selbst als Stimme bezeichnet, die in der Wüste ruft und die Ankunft des Messias, des Gesalbten voraussagt.

"Sein Pech abbekommen."

Viele dieser biblischen Wendungen sind allerdings schon so sehr in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen, dass man ihre Herkunft längst vergessen hat. So hat die Österreichische Bibelgesellschaft im Reformationsjubiläumsjahr 2017 etwa ein Quiz durchgeführt, erzählt die evangelische Theologin und Bibelwissenschafterin Jutta Henner.

Abgefragt wurden Redewendungen und Sprichwörter biblischen und nicht-biblischen Ursprungs in einem Multiple-Choice-Test. Die Fehlerquote war hoch, auch bei theologisch versierten Personen, die in der Kirche tätig sind. Einer der Gründe dafür dürfte wohl sein, dass sich auch aus dem mittelalterlichen Alltag, aus handwerklichen Berufen oder auch aus der Kriegsführung viele Wendungen gehalten haben, so die Theologin, etwa: "sein Pech abbekommen".

"In Fleisch und Blut."

Wendungen wie diese sind uns "in Fleisch und Blut" übergegangen, und: Überraschung! Auch diese Wendung geht auf die Bibel zurück. Jutta Henner erklärt: Sie stammt aus dem Buch Genesis, dem ersten Buch Mose, aus der Geschichte von Josef und seinen Brüdern. Weil seine Brüder Eifersüchtig auf Josef sind, beschließen sie, ihn als Sklaven zu verkaufen. Töten wollen sie ihn nicht, denn er sei "ihr Fleisch und Blut", so heißt es in der Bibelstelle.

Verbreitet haben sich die Zitate aus der Bibel im Mittelalter auf mündlichem Weg, aber nicht nur: Schon vor der Bibelübersetzung Martin Luthers seien bereits andere Übersetzungen im Umlauf gewesen, erklärt Jutta Henner. Schätzungen zufolge seien dies etwa 50.000 Stück gewesen. In Predigten oder auch durch Flugblätter – allerdings war die Alphabetisierungsrate nicht besonders hoch – seien die Menschen so mit neuen Formulierungen konfrontiert gewesen. Ein Gottesdienst habe also auch spracherneuernde Wirkung gehabt, so die Bibelwissenschafterin.

"Perlen vor die Säue werfen."

Kleines Ferkel

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Die bekanntesten Redewendungen gehen auf die Lutherbibel zurück. Beispiele dafür sind "Perlen vor die Säue werfen", "sein Licht unter den Scheffel stellen", "der Stein des Anstoßes", "jemandem einen Denkzettel verpassen" oder "jemandem die Leviten lesen". Letztere etwa stammt aus dem Mönchtum: Das Buch Levitikus, das dritte Buch Mose, sei als biblische Lektüre schlichtweg langweilig, so die evangelische Theologin, eine Sammlung von Verhaltensmaßregeln und Vorschriften. Man habe jungen Mönchen das Lesen langer Abschnitte aus dem Buch Levitikus als Disziplinierungsmaßnahme verordnet, daraus sei dann die heutige Bedeutung entstanden, jemanden "maßregeln, zurechtweisen, ihm eine Strafpredigt halten".

"Schwerter zu Pflugscharen."

Doch aus Kreise, die, so Jutta Henner, nicht im Verdacht stünden, viel in der Bibel zu lesen, greifen mitunter auf Wendungen aus der Bibel zurück. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde in der damaligen DDR der Slogan "Schwerter zu Pflugscharen" zum Motto einer vom Staat unabhängigen Friedens- und Abrüstungsbewegung. Zurück geht das Zitat auf die Propheten Jesaja und Micha. Viele weitere Sprüche und Wendungen sind auch im Buch der Sprichwörter zu finden, erklärt die evangelische Theologin: einer Sammlung von Alltagsweisheiten, die über die Jahrhunderte zu bleibenden Worten geworden sind.