Violistin

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

Das Ö1 Konzert

RSO Wien spielt neuen Strawinsky

Gleich zwei österreichische Erstaufführungen bringen das ORF Radio-Symphonieorchester Wien und Cornelius Meister am 20. Februar im Wiener Konzerthaus zur Aufführung: "Chant funèbre" von Igor Strawinsky und ein Orgelkonzert von Toshio Hosokawa. Ö1 sendet einen Mittschnitt des Konzertes am 20. Februar um 19:30 Uhr.


2015 machten eine Musikwissenschaftlerin und eine Bibliothekarin in St. Petersburg einen sensationellen Fund. In einem mit Noten vollgestopften Hinterzimmer des Rimski-Korsakow-Konservatoriums entdeckten sie Blätter, die ein Jahrhundert lang verschollen schienen: eine zehnminütige Komposition, die der damals 26-jährige Igor Strawinsky kurz vor seiner Emigration aus Russland komponiert hatte.

Nur einmal war der "Chant funèbre" op. 5 bis dato zu hören gewesen, und zwar 1909 bei einem Gedenkkonzert für Strawinskys Lehrer Rimski-Korsakow. Danach verlor sich die Partitur in den Revolutionswirren, was ihr Schöpfer, der sich stilistisch stetig weiterentwickelte, bedauerte; in seinen Lebenserinnerungen schrieb Strawinsky später, er wüsste zu gern, "was ich damals unmittelbar vor dem "Feuervogel" komponiert habe".

Nun wissen wir es. Im Dezember 2016 präsentierte Valery Gergiev das Werk dem Publikum in St. Petersburg, Cornelius Meister dirigiert die österreichische Erstaufführung im Konzerthaus am 15. Februar 2018.

Wärmendes von Strawinsky und Haydn

Im Konzert des ORF Radio-Symphonieorchesters Wien folgt dem kleinen Trauermarsch der große "Feuervogel", jene Ballettmusik, mit der Strawinsky 1911 in Paris derart Furore machte, dass sich nicht nur die internationale Ballettszene neu sortieren musste, sondern auch die Musikgeschichte. Strawinskys Musik für die Ballets Russes hat - vom "Feuervogel" bis zum "Sacre" - Maßstäbe gesetzt.

Dabei war Strawinsky als "Lückenbüßer" eingesprungen, denn Ensembleleiter Sergei Djagilew hatte zunächst Anatoli Ljadow gebeten, das russische Märchen rund um den bösen Zauberer Kastschej in Töne zu setzen. Statt Ljadow biss Strawinsky an, und ebenso zauberhafte wie rhythmisch pointierte Musik schubste den Komponisten über Nacht in die vorderste Reihe der europäischen Moderne.

Die zweite feurige Komposition im RSO-Konzert stammt von Joseph Haydn, dessen 59. Symphonie den Beinamen "Feuer-Symphonie" trägt - wahrscheinlich zu Unrecht, denn das passende Theaterstück, "Die Feuersbrunst", bei dem Teile aus Haydns Werk erklungen sein sollen, war zur Entstehungszeit der Symphonie (1768) noch gar nicht bis ins Schloss Esterházy vorgedrungen.

Dennoch bleibt eine unmotivierte Fanfare der Hörner im zweiten Satz rätselhaft. Sollte hier nicht doch ein Rest Bühnenmusik in Haydns Symphonie stecken? Wie auch immer: Feurig ist die 59. Haydn-Symphonie in jedem Fall, weshalb sie ihren Namen behalten darf.

Orgelkonzert von Toshio Hosokawa

Cornelius Meister und das RSO Wien spielen nicht nur Strawinskys Trauermarsch erstmals in Österreich, sondern auch eine neue Komposition des japanischen Komponisten Toshio Hosokawa: "Umarmung - Licht und Schatten" - ein echter Hosokawa, der fernöstliche Versenkung in den Klang mit den schillernden Orchesterfarben der westeuropäischen Avantgarde verbindet.

Das Soloinstrument des neuen Orgelkonzertes, gespielt von Widmungsträger Christian Schmitt, verkörpert den menschlichen Gesang, während das Orchester die Natur und das Universum symbolisiert. Den Titel des Werks erklärt Hosokawa aus der Gegenüberstellung von Solist und großem Orchester: "Ich sehe das Verschmelzen von Orgel und Orchester als Metapher für eine Umarmung zweier Menschen."

Öffentliche Probe & "Klassische Verführung"

Wem das Konzert nicht genügt, der kann sich in den Tagen zuvor Schritt für Schritt dem Programm annähern: am 13. Februar 2018 durch eine öffentliche Strawinsky-Probe um 19 Uhr im RadioKulturhaus sowie am 14. Februar durch eine "Klassische Verführung" mit Teresa Vogl und Christoph Becher (19.30 Uhr im RadioKulturhaus). Die Aufzeichnung in Ö1 folgt am 20. Februar um 19.30 Uhr.

Text: Christoph Becher, Intendant des RSO Wien