Kleine Modellmännchen

ORF/JOSEPH SCHIMMER

Nudging zur Verhaltenssteuerung der Bürgerinnen und Bürger

Allerorten wird optimiert: der Verkehrsstrom genauso wie das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger, damit sie etwa gesünder leben. Ein wichtiges Instrument dazu ist "Nudging", das dezente Anstupsen, garniert mit Techniken, die die Betroffenen in die gewünschte Richtung zu lenken.

Nudges gibt es aber nicht nur im analogen Leben. Big Data liefert dem Nudging mehr Futter als einer aufgeklärten Gesellschaft möglicherweise lieb ist. So lassen sich auch politische Meinungen subtil steuern, indem etwa das Engagement auf Facebook ausgewertet wird.

Klassische Nudges begegnen uns im Alltag, bei den Voreinstellungen beim Drucker beispielsweise: auf beiden Seiten wird ausgedruckt, um Papier zu sparen. Wer den Text nur auf einer Seite lesen möchte, muss aktiv die Einstellungen ändern. Geprägt hat den Begriff des "nudging" der US-amerikanische Ökonom Richard H.Thaler gemeinsam mit dem Harvard–Rechtswissenschaftler Cass Sunstein.

Thaler hat 2017 für seine Forschungserkenntnisse in der Verhaltensökonomie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten. Ein gern genanntes Beispiel
Ist hier auch ist die Voreinstellung, beispielsweise bei der Organspende in Österreich: hierzulande ist man automatisch per Voreinstellung Spenderin, sofern man nicht explizit wiederspricht.

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Rote Schrift und eine Glühbirne machen beispielsweise auf Online-Urlaubsplattformen auf beinahe ausgebuchte Hotels aufmerksam. "Die Kundinnen und Kunden sollen dazu gebracht werden, kein Angebot zu verpassen, wobei für die Nutzer nicht nachvollziehbar ist, ob das gewünschte Gut tatsächlich rar ist", sagt Florian Florian Irgmaier vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft, der Sozialwissenschaftler arbeitet derzeit am Forschungsprojekt "Big Data und Nudging" mit.

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Die Anwendung "Nudgr" erfasst beispielsweise Nutzerdaten und ihre Bewegungen der Maus im Browserfenster, beschreibt Florian Irgmaier: "Algorithmen berechnen dann, wie wahrscheinliches es ist, dass Nutzer die Seite demnächst verlassen werden ohne etwas gekauft zu haben. Und dann erscheint ein Pop-Up, das mit einem Rabatt lockt".

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China arbeitet schon seit einigen Jahren am Aufbau eines Sozialkredit-Systems, in 15 Städten laufen Pilotprojekte. Der Staat sammelt Daten und wertet sie aus, jeder Bürger bekommt ein Punkte-Konto und Plus-Punkte für moralisch-konformes Verhalten.

Auch große Konzerne wie Alibaba oder Tencent sammeln Daten, es entsteht ein ganzes Ökosystem von Bewertungssystemen. Der Punktestand entscheidet dann darüber, ob man einen Kredit, eine Wohnung in einer bestimmten Gegend oder etwa ein Visum bekommt.

Big Nudging

In Zukunft wird Nudging immer öfter auf der Grundlage von Big-Data Analysen basieren, wenn es nicht schon längst passiert, sagt Katja Mayer von der Technischen Universität München und derzeit am Zentrum Soziale Innovation in Wien, sie forscht im Bereich Computational Social Science und Big Data.

Dafür können alle möglichen Daten herangezogen werden, die irgendwie verfügbar sind. Versicherungsnummern, Identifikationsnummern, Daten aus den Sozialen Medien, Daten, die Apps im Hintergrund absaugen, demographische Daten, Daten von Datenhändlern, die Datensätze einkaufen und zusammenführen.

In einem Digital Manifest warnen Wissenschaftler rund um Dirk Helbing schon vor einigen Jahren vor den Nebenwirkungen von Big Nudging, die heute angewandten Big Data-basierten Personalisierungsverfahren würden vielmehr das Problem zunehmender Diskriminierung schaffen.