Michel Houellebeqc

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Porträt des Provokateurs Michel Houellebecq - zum 60er. Vielleicht

Am 26. Februar feiert Michel Houellebecq Geburtstag, angeblich ist es sein sechzigster. Es gibt allerdings auch Quellen, die meinen, er sei bereits zwei Jahre älter. Wie dem auch sei, Michel Houellebecq ist ein Meister darin, sich selbst geschickt in Szene zu setzen.

Er ist umstritten, wird angefeindet und bewundert. Sein Mittel dazu: die Provokation. "Wer ist Michel Houellebecq? Porträt eines Provokateurs" nennt Julia Encke ihre sehr lesenswerte, im Zusammen-spiel von Werkanalyse und Lebensbeschreibung ebenso präzise wie plausible Annäherung an ein literarisches Phänomen.

Ein ganz normaler Schriftsteller

"Ich bin normal. Ein normaler Schriftsteller", hat er einmal gesagt. Und ein anderes Mal: Er würde vieles sagen und am nächsten Tag das Gegenteil. So ist das mit Michel Houellebecq: Verlass ist nur auf seine Unverlässlichkeit. Den Autor bzw. dessen öffentlich gemachte Äußerungen als Interpretationshilfe zu Rate zu ziehen, wenn einem ein Werk ratlos macht, scheint daher wenig zielführend.

Diese Nicht-Trennbarkeit zwischen der Person und dem Werk, darauf hat er es wirklich angelegt.

Bislang hat Michel Houellebecq noch mit jedem seiner Romane für Aufregung gesorgt, zuletzt mit "Unterwerfung", einem Roman, der in einem Frankreich der nahen Zukunft spielt, in der ein Muslim die Präsidentschaftswahlen gewinnt und sich eine restriktive Politik abzeichnet. Erschienen ist das Buch vor drei Jahren, zeitgleich mit der aktuellen Ausgabe des Satiremagazins "Charlie Hebdo", auf dessen Cover eine Karikatur Houellebecqs zu sehen war – und zeitgleich mit dem fürchterlichen Attentat auf die Redaktion des Magazins, was nicht zuletzt die Diskussionen befeuerte, ob "Unterwerfung" ein hellsichtiger Roman oder eher eine haarsträubende islamophobe Vision sei.

Der "reale" Houellebecq und der "fiktive" Michel

Julia Encke hat ihr Porträt Houellebecqs in verschiedene Kapitel gegliedert, die dessen Karriere rekapitulieren und verschiedene Rollen oder Eigenschaften des Autors beleuchten: "Der Romantiker", "Der Gewinner", "Der Visionär". Das ausführlichste Kapitel aber heißt "Der Provokateur". Denn Houellebecq provoziert. Da sind die vielen expliziten Sexszenen seiner Romane, aber auch die zum Teil kruden Äußerungen ihrer Protagonisten, die meistens "Michel" heißen, zum Beispiel über Frauen oder den Islam. Da sind aber auch die vielen brüskierenden Statements des Autors selbst. Der Islam sei "die bescheuertste Religion von allen", hat er einmal gesagt. Oder: Die Prostitution abzuschaffen heiße, die Ehe unmöglich zu machen. Spricht der "reale" Houellebecq nicht gerade so wie seine fiktiven "Michels"? Ist da noch ein Unterschied erkennbar zwischen Figuren- und Autorenrede? Julia Encke spricht von einem "Taschenspielertrick":

Er nimmt die Literatur als Ungewissheitsmaschine, als Technik der Ambivalenz, mit der unsere Werte in Frage gestellt werden sollen und vor allem unsere Ideologien, extrem ernst. Und so ernst muss man ihn dann auch nehmen."

Und so ist nicht zuletzt die Frage, die Julia Enckes knappes und doch gründliches und nicht zuletzt sehr gut geschriebenes Porträt-Buch formuliert - "Wer ist Michel Houellebecq?" - im Grunde eine rhetorische: Houellebecq wäre nicht Houellebecq, gäbe es darauf eine Antwort. Sind Sie ein Provokateur, wurde der Schriftsteller einmal gefragt. "Ja, von Zeit zu Zeit, wenn ich mich langweile", erwiderte er. Michel Houellebecqs Langeweile hält den Medienbetrieb ganz schön auf Trab.

Service

Julia Encke, "Wer ist Michel Houellebecq? Porträt eines Provokateurs" Rowohlt Berlin

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