Werner Boote auf verbranntem Boden

FILMLADEN FILMVERLEIH

Kino

"The Green Lie" - Doku von Werner Boote

Immer wieder wird bei Kaufentscheidungen die Macht des Konsumenten betont, etwa bei der Etablierung von Bio-Lebensmittel oder nachhaltig erzeugten und fair gehandelten Produkten. Auch Lebensmittelkonzerne machen sich darüber Gedanken und bieten oft Produkte an, die zwar als nachhaltig erzeugt angepriesen werden, es aber vielfach nicht sind. Das nennt man dann eine "Grüne Lüge", wie sie der Film "The Green Lie" des österreichischen Dokumentarfilmers Werner Boote im Visier hat.

Mittagsjournal | 07 03 2018

Arnold Schnötzinger

"Wieso gibt es Produkte, die Menschen ausbeuten, die die Umwelt schädigen? Da muss etwas gemacht werden." Werner Boote

Kulturjournal | 07 03 | Interview

Fährt man ein scheinbar umweltfreundliches Elektroauto, so heißt das noch lange nicht, dass man der Umwelt keinen Schaden zufügt, denn woher kommt der Strom, mit dem das Fahrzeug betrieben wird? Möglicherweise aus einem Kohlekraftwerk. Isst man einen handelsüblichen Schokoriegel, so wird man indirekt zum Holzfäller im indonesischen Regenwald, wie der Filmemacher Werner Boote und die Journalistin Kathrin Hartmann behaupten. Denn fast alle industriell hergestellten Lebensmittel enthalten Palmöl, für dessen Herstellung Regenwald gerodet werden muss.

Gütesiegel als Schwindel

"Greenwashing" nennt man jenes Phänomen, mit dem Konzerne das Image ihrer Produkte verbessern wollen, mit Hilfe von Zertifikaten, die die Nachhaltigkeit ihrer Produkte versprechen, doch - so die These des Films - die Vorgaben dafür oft nicht einhalten.

Regisseur Werner Boote: "Konzerne setzen sich oft über Regierungen hinweg und man weiß, dass viele Handelsketten sich grün präsentieren, aber ein Großteil ihres Handelsvolumens alles andere als umweltfreundlich ist."

Ölkatastrophe in Louisiana

Auf der Suche nach Umweltlügen haben sich Boote und Hartmann die Spätfolgen der Deepwater-Horizon-Ölkatastrophe in Louisiana 2010 auf die Fischerei angesehen, die Vertreibung der indigenen Bevölkerung in Brasilien - um Platz für Soja- oder Zuckerrohrplantagen zu schaffen - erforscht und, Raj Patel, Professor an der Universität Austin in Texas besucht. Er stellt in Frage, ob man überhaupt eine Wahl haben sollte zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Produkten.

Radikaler Umbruch

Das Feindbild profitorientierter Konzerne wird hier ausführlich strapaziert, so sehr, dass sich der Film "The Green Lie" in seiner Radikalität zusehends in einen Widerspruch verwickelt: Nämlich dass er kaum einen Fortschritt auf dem Weg vom Ist- zum Soll-Zustand anerkennt, sondern auf einem radikalen Umbruch im Wirtschaftssystem beharrt. Ein praxisfernes Alles oder Nichts quasi. Nochmals Werner Boote: "Man wird ja noch träumen dürfen."

Möglicherweise kontraproduktiv

Versteht man Film als Kommunikationsleistung, dann könnte "The Green Lie", der grundlegende Aufklärung, bewusst plakative Zuspitzung und moralisch unterfütterte Weltverbesserung im Sinn hat, auch kontraproduktiv aufgenommen werden. Wenn man sich nämlich auf kein Zertifikat und kein Gütesiegel mehr verlassen kann, dann braucht sich der Konsument bei seinen Kaufentscheidungen auch keine Gedanken mehr machen. Anders formuliert: Wenn also selbst Elektromobilität nicht als Fortschritt anerkannt wird, dann bleibe ich halt beim guten alten Diesel!