Tonya (Margot Robbie) jubelt über ihre Punktzahl, nachdem sie den Dreifach-Axel gesprungen ist

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"I, Tonya" - Kampfzone Eiskunstlauf

Dieses Drama war der dunkle Schatten über den Winterspielen 1994 in Lillehammer und illustrierte den verbitterten Kampf um das ewige Höher, Schneller und Weiter in seiner ganzen Drastik: Tonya Harding gegen Nancy Kerrigan lautete das inneramerikanische Duell im Eiskunstlauf der Damen. Und es wurde nicht am Eis, sondern durch den Einsatz einer Eisenstange entschieden, als Kerrigan kurz vor den Spielen durch eine brutale Attacke schwer verletzt wird.

Nun kommt die Geschichte in die Kinos: "I, Tonya" von Regisseur Craig Gillespie war bei den diesjährigen Oscars dreimal nominiert. Allison Janney gewann schließlich für ihre Darstellung der Mutter von Tonya Harding als beste Nebendarstellerin.

Morgenjournal | 20 03 2018

David Baldinger

Tonya Harding ist die erste Amerikanerin, die in einer Kür gleich zweimal den Königssprung, einen Axel, hinlegt. 540-Grad-Drehung in der Luft. Sichere Landung. Harding sollte eigentlich sportlich strahlen - doch das Establishment des Eiskunstlaufsports lässt seinen geballten Snobismus an ihr aus. Zu schmuddelig ist sie, zu wenig strahlendes All-American-Girl. Zu sehr haftet der Staub der amerikanischen Unterschicht an ihren selbstgenähten Outfits.

Tonyas Mutter (Allison Janney) bringt die 3-jährige Tonya zum ersten Mal aufs Eis

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Dabei ist Tonya Harding in diesem Film vor allem eines: eine Kämpferin, die sich aus ihrem trostlosen Leben katapultieren will. Weg von ihrer kalten und manipulativen Mutter, die stets zwischen passiv-aggressiv und nur aggressiv pendelt. Gnadenlos peitscht die fluchende Kellnerin ihre Tochter die Karriereleiter hinauf. Getrieben davon, dass ihre Tonya es all den Mädchen auf dem Eis aus denkbar besseren Häusern zeigen wird.

Schwieriger Sympathietransfer

"I, Tonya" macht dem Zuseher den Sympathietransfer zur widerspenstigen Außenseiterin nicht leicht. Regisseur Craig Gillespie erzählt das Drama als fiese Underdog-Geschichte mit viel dunklem Humor. Stilistisch greift er zur Gattung der "Mockumentary", einer Pseudo-Dokumentation inklusive sich widersprechender Aussagen, die die Authentizität dieses an sich schier unglaublichen Stoffes steigern soll.

Gillespie geht es um die Gefühlswelt der Protagonisten, um das Mitgefühl und den düster-absurden Humor der Geschichte. "Unter der Oberfläche lauern tiefe Gefühle und viel schwarzer Humor. Ich fühlte mich in dieser Welt der Hardings sehr wohl", meint der 50-jährige Australier.

Tonya Harding als Trash-Ikone

Statt inszeniertem Hochglanz-Schweiß a la Rocky dominieren in diesem Sportfilm häusliche Gewalt, Sprachlosigkeit und Misshandlungen. Der Plan, die große Konkurrentin Nancy Kerrigan mit einem Brief leicht einzuschüchtern, gerät jedenfalls schnell ordentlich aus dem Ruder.

"I, Tonya" handelt weniger von einem Attentat, das jeder Sportlichkeit spottet, sondern vom Kampf einer Außenseiterin, die nicht aufgibt.

Gillespie stellt aber auch klar, dass Harding erst durch die angestachelte Schaulust des TV-Publikums zum ultimativen Bad Girl stigmatisiert wurde. Die aufkommenden Trash-TV-Formate brauchen Figuren wie Tonya Harding - und die Einschaltziffern geben den Sendeanstalten recht. "Was für eine Möglichkeit, dieses Postergirl der Gewalt neu entdecken zu dürfen", schwärmt Gillespie von seiner Aufgabe.

Die Anti-Heldin als Mitwisserin

Es ist letztlich das wahnwitzige Konglomerat aus Dummheit, Geltungssucht und Dilettantismus, das "I, Tonya" zu einem kurzweiligen Biopic macht, das versucht seine Anti-Heldin zu rehabilitieren. Tonya Hardings Geständnis, doch in die Pläne ihres Ex-Mannes involviert gewesen zu sein, kam für den Film zu spät. Erst vor knapp zwei Monaten - 24 Jahre danach - gab sie ihre Mitwisserschaft in einem TV-Interview zu.

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