Nikolaus Habjan mit der Böhm-Figur

Lupi Spuma

Uraufführung

Habjans "Böhm" am Grazer Schauspielhaus

Karl Böhm als Klappmaulpuppe - Der Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan widmet sich in Graz dem Dirigenten Karl Böhm.

Der in Graz geborene Dirigent Karl Böhm war einer der anerkanntesten Künstler des 20. Jahrhunderts, Mozartkenner, Wagnerinterpret und Freund von Richard Strauss, Leiter der Semperoper Dresden oder der Wiener Staatsoper. Seine Rolle im Nationalsozialismus polarisiert allerdings bis heute. Böhm stand auf der von Hitler und Goebbels herausgegebenen Liste der "Gottbegnadeten", wurde nach dem Zweiten Weltkrieg mit einem Auftrittsverbot belegt und hat sich, obgleich kein Mitglied der NSDAP, um seine Musik ausüben zu können, mit dem System arrangiert. Jetzt widmet sich der Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan im Grazer Schauspielhaus, gemeinsam mit dem Autor Paulus Hochgatterer, in einem neuen Stück dem Menschen hinter dem Dirigenten.

Mittagsjournal | 22 03 2018

Katharina Menhofer

Insgesamt 15 Puppen bringt der 29-jährige Habjan im Alleingang zum Einsatz, darunter gleich drei Böhm-Figuren in unterschiedlichen Altersstufen. Ausschnitte aus dem Stück können Sie auch im folgenden Gespräch hören, das Katharina Menhofer mit Nikolaus Habjan geführt hat.

Kulturjournal | 22 03 | N. Habjan im Interview

Nikolaus Habjan mit Böhm-Figur im roten Pullover

Lupi Spuma

Intermezzo | 08 04 2018 | Paulus Hochgatterer

"Sagen Sie den Leuten, sie sollen mich nicht immer so anschauen, ich bin es nicht, Irrtum, ich bin es nicht." Die lebensgroße Puppe im Rollstuhl, mit der roten Strickweste und den schönen Händen, gibt vor ein anderer zu sein, auch wenn sie mit ihrer schütteren Haarpracht und den dicken Brillen Karl Böhm zum Verwechseln ähnlich sieht. Ein alter Mann, der seinem Pfleger (Nikolaus Habjan) und sich selbst Rechenschaft ablegt über sein Leben, zurückblickt und manches hinterfragt. So bleibt die Geschichte, die er in der dritten Person erzählt, zwar nahe an der Biografie Böhms, ist aber gleichzeitig eine, die stellvertretend für viele steht.

Nikolaus Habjan dirigiert mit Böhm-Maske

Lupi Spuma

Warum ausgerechnet Graz?

"Warum ausgerechnet Graz?", raunzt die Böhm-Figur. In Graz ist nicht nur Nikolaus Habjan geboren worden (1987), sondern knapp 100 Jahre früher auch Karl Böhm (1894). Habjan hat ihn von Plattencovers gekannt und schon seine Figur des Herrn Berni in seinem allerersten Stück "Schlag sie tot" am Wiener Schuberttheater hatte Züge von Karl Böhm. Mit seinem Landsmann hat er sich dann genauer beschäftigt, der am Grazer Steinfeldfriedhof begraben liegt und als "großer Sohn der Stadt" verehrt wird. Dabei sei ihm aufgefallen, so Habjan, dass auf der Homepage der Stadt Graz, die Haltung Böhms in der NS-Zeit mit keinem Wort erwähnt wird.

"Wenn man auf das Stadtportal Graz.at geht, dann steht dort einfach 1933 übernahm Karl Böhm das Amt des Dresdner Operndirektors. Ohne dass erwähnt wird, dass sein Vorgänger Fritz Busch von den Nazis in die Emigration gezwungen wurde, und Böhm hat ohne mit der Wimper zu zucken, diesen Posten übernommen. Und es gibt Zeitzeugen, wie den Komponisten Walter Goldschmidt, die Böhm nicht als Mitläufer sondern als virulenten Nazi bezeichnen."

Musikalische Partei

Böhm stand auf der von Hitler und Goebbels erstellten "Liste der Gottbegnadeten", ein Mitglied der NSDAP war er nie. "Ich gehöre nur einer Partei an, der musikalischen", wird Böhm zitiert. In Graz gibt es viele Menschen, die Böhm gekannt und verehrt haben und sein Andenken auf ein Podest gestellt haben. Das bleibe in künstlerischer Hinsicht unangetastet, so Habjan, es gehe ihm nicht um Diffamierung, sondern lediglich um den Menschen Karl Böhm.

Diesen Menschen hat Nikolaus Habjan anhand von alten Filmaufnahmen sehr genau studiert, seine Stimme, seine Mimik und Gestik und seine berüchtigt-akribische Arbeit mit den Musikern.

Nikolaus Habjan mit drei Figuren

Lupi Spuma

Allein mit 15 Rollen

Insgesamt 15 Charaktere hat Paulus Hochgatterer in seinen Text verpackt, die Habjan im Alleingang zum Leben erweckt. Unter seinen Stab-, Hand- und Klappmaulpuppen finden sich nicht nur drei Böhm-Figuren in unterschiedlichen Altersstufen, sondern auch Walter Berry, Elisabeth Schwarzkopf oder Christa Ludwig. Ihnen verleiht Habjan das jeweils passende Idiom. Und auch jenes legendäre Interview kommt vor, in dem der ganz junge Karl Löbl, Böhm jene Aussage entlockte, die ihn seinen Posten als Staatsoperndirektor 1956 kostete. "Lieber Karl Löbl, ich denke nicht daran, meine internationale Karriere der Wiener Staatsoper zu opfern."

Das Podest, auf das man Böhm gestellt hat, existiert zurecht, doch gerade im Gedenkjahr 2018 sollte der Blick auch auf die kleine Tafel daneben gelenkt werden, die ihn politisch einordnet. Das tut Nikolaus Habjan, in seiner kritischen aber nicht respektlosen Hinterfragung, ab heute Abend im Grazer Schauspielhaus.

Service

Die Uraufführung von "Böhm" findet am 22. März 2018 im Schauspielhaus Graz statt. Das Stück soll im Sommer auch bei den Bregenzer Festspielen gezeigt werden.

Gestaltung

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