Hase im Sonnenaufgang

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Ostern und Pessach

Das christliche Ostern ist ohne das jüdische Pessach-Fest nicht verständlich, aber auch Ostern hat auf die Feier des Pessach vor allem im europäischen Mittelalter massiv eingewirkt.

In dieser Woche erinnern sich Christinnen und Christen an den Leidensweg und Tod von Jesus von Nazareth am Kreuz und feiern dann am Ostersonntag das Fest der Auferstehung. Von den ersten Zeugen an seien diese Ereignisse in Zusammenhang mit dem jüdischen Pessachfest gebracht und Jesus selbst als das Pessach- oder Paschalamm, dessen Blut erlöst, betrachtet, erklärt der katholische Theologe und Judaist Gerhard Langer.

"Beide Feste basieren auf einem Leidensgedächtnis und münden in ein Freudenfest."

"Beide Feste teilen einen Grundgedanken. Sie sind zuerst Leidensgedächtnisfeiern und dann Freudenfeste." Beide basieren auf einem Leidensgedächtnis (Sklaverei in Ägypten bzw. Tod Jesu) und münden in ein Freudenfest (Auszug aus Ägypten und Gabe der Tora bzw. Auferstehung).

Das jüdische Pessach-Fest, das heuer am Abend des 30. März beginnt, und das christliche Ostern (1./2. April) mit der vorausgehenden Karwoche stehen geradezu symbolisch für das gleichzeitige Miteinander und Gegeneinander der zwei religiösen Strömungen. Zu Pessach gedenken Jüdinnen und Juden der Ausbeutung der Israeliten in Ägypten.

"Von daher ist Pessach immer auch eine Besinnung auf die Bedingungen, unter denen Jüdinnen und Juden leben, keineswegs nur in Ägypten, das in diesen Erzählungen mehr Symbol ist als realer Staat", so Langer. "Das biblische Ägypten ist Sinnbild der überbordenden, dabei sich in Hybris selbst vernichtenden Macht. Im Pharao erkennen wir zu allen Zeiten den Typus des blindwütigen, gegen jede Vernunft handelnden hartherzigen Machtmenschen."

"Was ist der Inhalt von Pessach? Ganz einfach: Sie haben versucht uns zu vernichten, wir wurden gerettet, lasst uns essen!"

Die Texte und spezielle Speisen, die sich auf einem Teller während des Pessachmahls, des so genannten Sedermahls, befinden, sollen die Erinnerung an Verfolgung und Rettung präsent machen. Darum lasse sich das Geheimnis von Pessach in wenigen Sätzen formulieren, meint der Judaist und katholische Theologe Gerhard Langer und zitiert einen seiner Studierenden, der vor kurzem während einer Lehrveranstaltung gemeint hatte: "Was ist der Inhalt von Pessach? Ganz einfach: Sie haben versucht uns zu vernichten, wir wurden gerettet, lasst uns essen!"

Wenn sich Christinnen und Christen auf das Osterfest vorbereiten, so spüren sie eine Woche lang der Passion, dem Leiden und Sterben, und danach der Auferstehung Jesu nach. "Fasten, Speisenauswahl und Liturgie, alltägliche Verrichtungen im Haus, darunter auch der Osterputz oder das österliche Nest mit den Eiern und Geschenken sind Teil eines Rituals, das zwar heute vielfach ins Säkulare gewandelt ist, aber in sich den Kern einer Erinnerungsfeier trägt", so Langer.

Matzoth wird gebacken

AFP/MENAHEM KAHANA

Im Christentum fand in Bezug auf die Hostie – auch das so wie die Mazzot ungesäuertes Brot – und die mit ihr verbundenen Rituale vor allem in mittelalterlicher Zeit eine weitere theologische Aufwertung und Neudeutung als im Zuge der im Gottesdienst vorgenommenen Verwandlung des Brotes in den Leib Christi statt. In der Liturgie wird dieses zerbrochene Brot erhoben und als Lamm Gottes, das die Sünden der Welt fortnimmt, charakterisiert.

Das Judentum teilt nicht die Vorstellung von einer messianische Erlösungsfunktion Jesu, aber auch die jüdische Tradition entwickelte durchaus ähnliche Rituale im Zusammenhang mit den Mazzot, den ungesäuerten Broten zu Pessach, erklärt Judaist Gerhard Langer. "Sie erinnern einmal an die hastige Flucht aus Ägypten, wo keine Zeit blieb, um Brot mit Sauerteig zu backen. Drei Mazzot symbolisieren u.a. die Priester, die Leviten und die gewöhnlichen Israeliten. Aus der mittleren Mazza wird ein Teil abgebrochen und versteckt und erst gegen Ende der Zeremonie verzehrt. Dieses so genannte Afikoman erinnert zum einen an das Lamm und zum anderen an den Beginn der messianischen Erlösung. Die Entwicklung des mit ihm verbundenen Rituals vor allem in Mitteleuropa ist wohl nicht verständlich ohne eine Kenntnis und Auseinandersetzung mit der christlichen Praxis im Umgang mit der Hostie."

"Hostie und Afikoman sind Ausdruck eines verdeckten Dialogs zwischen Juden und Christen."

Doch mit Ostern verbindet sich auch eine dunkle vorurteilsbehaftete Geschichte des Antijudaismus, von Vorwürfen der ewigen Verwerfung über die Hostienschändung bis zur Ritualmordlegende. "Hostie und Afikoman sind Ausdruck eines verdeckten Dialogs zwischen Juden und Christen, eines Dialogs, der auch polemisch geführt wurde und von christlicher Seite mit schlimmsten Vorwürfen des Hostienfrevels, Verfolgungen und Pogromen an Juden verbunden war", so Gerhard Langer.

"Das Gemeinsame und Verbindende, so sieht man, ist oft das auch am meisten und mit schmerzlichen Folgen Trennende. Denn für Jüdinnen und Juden bedeutete Rettung und Erlösung über viele Jahrhunderte auch und nicht zuletzt gerade ein Ende der Verfolgung durch die Christen und eine Gewissheit, dass Gott das Leiden derer nicht vergisst, die in diesen Verfolgungen zu Tode kamen."