Wohnhaus M

LEHM TON ERDE BAUKUNST GMBH

1995

Wohnhaus M., Vorarlberg

In der Vorarlberger Marktgemeinde Rankweil, unweit des Bahnhofs, steht das Wohnhaus M. Ein wesentlicher Baustoff bei der Errichtung war Lehm. Geplant von den Architekten Robert Felber und Martin Rauch, wurde das zweistöckige Einfamilienhaus in den Jahren 1993 bis 1996 errichtet.

Experiment mit Lehm, Splitt und Erde

Jakob Fessler

Der konsequente Einsatz von Lehm bedeutete für die Bauherren Eduard und Kathrin Mathies sowie für die Architekten ein Experiment mit offenem Ausgang.

Die Geschwister Kathrin Mathies und Martin Rauch konnten sich als Kinder eines Vorarlberger Künstlers schon früh an den Materialien Ton und Lehm ausprobieren. Im Alter von 16 Jahren war Kathrin Mathies mit ihrem Bruder auf Reisen in Kamerun und in Sambia unterwegs und bestaunte lokale Lehmbehausungen. Viele Jahre später wollte sie sich mit ihrem Mann Eduard Mathies ihr eigenes Haus aus Lehm errichten.

Martin Rauch schrieb 1983 seine Diplomarbeit "Lehm Ton Erde – Verwendungsvorschläge" und startete erste Bauversuche. Für den Lehmbaupionier war das Lehmhaus M. ein wichtiger Meilenstein. Noch nie zuvor setze er einen Lehmbau derart konsequent um. Auf dem Fundament und dem Kellergeschoss aus Beton wurden Stampflehmwände errichtet. Der Aushub wurde mit Ziegelsplitt vermischt und direkt als Baumaterial verwendet. Im Obergeschoss ist dem Lehmbau eine Holzkonstruktion aufgesetzt.

  • Lehmwand

    ORF/JAKOB FESSLER

  • Außenansicht

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  • Seitenansicht mit Wolken

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  • Innenraum

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Vor dem Lehmhaus

Die Architekten wie die Bauherren planten nicht nur, sondern bauten auch maßgeblich das Haus mit ihren eigenen Händen auf. Die Baumaterialien konnten während der Bauphase einfach stehen gelassen werden. Im Gegensatz zu konventionellen, teils giftigen Baustoffen musste beim Material Lehm kein Aushärten befürchten werden und die Baustelle durfte auch ein Spielplatz für Kinder sein. Vier und sechs Jahre waren die Kinder der Familie Mathies zum Zeitpunkt der Fertigstellung im Jahr 1996 alt. Sie spielten, probierten und bauten mit Lehm ebenfalls am Wohnhaus M. mit.

Das Haus ist umringt von einem großzügig angelegten Garten. Kathrin Mathies ist Volksschullehrerin und hält hier Lehmwerkstätten für Kinder und Jugendliche ab. Im Garten liegt unter einer Plane ein großer Haufen Lehm zum Arbeiten. Eine Wanne mit Schlick lädt zum Eintauchen in den Lehm ein. Mit Studierenden der ETH Zürich hat Martin Rauch in einem Projekt hier auch eine Lehmmauer errichtet.

"Wir haben selber die Platten gestaltet, so wie man in Afrika Schlammziegeln macht."

Selbstgestaltete Terrassenplatten

Selbstgestaltete Terrassenplatten

ORF/JAKOB FESSLER

Das Material Lehm ist nicht genormt und hat keine Vorschriften, wie es auszusehen hat. Dadurch bestehen viele Freiheiten im Gebrauch und im Gestalten. Aus den Stammlehmwänden im Wohnhaus M. kann auch schon einmal ein Korn oder ein Steinchen herausfallen, aber das stört die Familie Matthies nicht. Sie schätzt das Unperfekte. Lehm ist für sie ein Material zum Wohlfühlen. Es bedeutet Vergänglichkeit und Erosion. Irgendwann wird das Haus wieder zu Erde werden. Eduard und Kathrin Mathies war es wichtig, eines Tages möglichst wenig Abfall auf der Erde zurücklassen zu werden.

"Die Gartenlehmwand war ein Projekt mit Studenten aus der Schweiz. Die wollten etwas arbeiten, das stehen bleiben darf."

"Ich war einmal in Marokko und da hab ich in einer Lehmwand so eine Nische gesehen."

Lehmwand mit Nischen im Garten

Lehmwand im Garten

ORF/JAKOB FESSLER

Martin Rauch hat den Lehmbau weiterentwickelt. Experimente mit kalkuliertem Risiko sind ihm bis heute für neue Innovationen wichtig. Für große Bauprojekte, wie etwa 2012 das Ricola Kräuterzentrum in der Schweizer Gemeinde Laufen bei Basel, können heute Stampflehmwände vorgefertigt und am Bauplatz zusammengesetzt werden. Einst wurde durch die Industrialisierung der weitverbreitete Lehmbau verdrängt und zum Baustoff der armen Leute. Martin Rauch geht es nicht um eine Anknüpfung an diese Bautradition, sondern um die Entwicklung einer zeitgemäßen, lehmbauspezifischen Architektursprache.

Service

Lehm Ton Erde
Lehmbau BOKU
Earthwork

Otto Kapfinger und Marko Sauer (Hrsg.), Gebaute Erde - Gestalten & Konstruieren mit Stampflehm

Gestaltung

  • Jakob Fessler

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