Ein Wald in der Nacht

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Schauergeschichten

"Die Unheimlichen" - Gruselliteratur als Comic-Reihe

Mit einer neuen Graphic-Novel-Reihe bringt der Carlsen-Verlag literarische Schauergeschichten in bündigen Comic-Fassungen auf den Markt. Unter den ersten Vorlagen auch ein früher Text Elfriede Jelineks.

1968 präsentierte Peter Handke der Öffentlichkeit eine junge, vielversprechende Schriftstellerin mit einem Faible für Monster und andere Unheimlichkeiten. Ihr Kurzprosa-Debüt "Der fremde!" fand Eingang in seine Horrorgeschichten-Anthologie "Der gewöhnliche Schrecken".

Kulturjournal | 03 05 2018

Judith Hoffmann

Nun hat es der Zeichner Nicolas Mahler als Graphic Novel in der neu gegründeten Reihe "Die Unheimlichen" herausgebracht. 64 Seiten hat der Band, ein Bild pro Seite, flankiert von Textzeilen aus dem Original. "Durch diese einseitige Gestaltung bekommt das Werk fast den Anschein eines Gedichtes, bei dem man immer wieder innehalten und verweilen kann", so Mahler.

Der Fluch vom ewigen Nischendasein

Drei Bände sind in der Reihe "Die Unheimlichen" bisher im Carlsen Verlag erschienen. Sie soll in den nächsten Jahren mit weitere, halbjährlich erscheinenden, Comic-Adaptionen literarischer Schauergeschichten fortgesetzt werden. Herausgeberin Isabel Kreitz stellt sich damit bewusst gegen einen spürbaren Trend: Denn kaum hat sich das Genre halbwegs etabliert auf dem Buchmarkt, werden bereits die ersten Rückläufe im Comic- und Graphic-Novel-Sektor bemerkbar.

Kreitz‘ Rezept für "Die Unheimlichen": Ein preisgünstiges, schmales Format, das sich an literaturinteressierte und comicinteressierte Leser gleichermaßen wendet. Zwischen 12 und 13 Euro kosten die kleinformatigen, hart gebundenen Comics im Umfang von etwas mehr als 60 Seiten, die mit ihrer kunstvollen, aufwändigen Gestaltung ins Auge stechen, aber auch mit den bekannten Namen, die die Buchdeckel zieren.

Eigenkreation statt Abbildung

Neben Jelinek präsentiert die Reihe zum Beispiel auch einen Text von Edgar Allen Poe. Seine Kurzgeschichte "Berenice" hat der junge Autor und Zeichner Lukas Jüliger in graugrüne Anime-Zeichnungen verpackt und in die Social-Media-Gesellschaft des 21. Jahrhunderts transferiert.

Und er habe damit den Nerv der Reihe genau getroffen, zeigt sich die Herausgeberin Isabel Kreitz begeistert. Es gehe darum, den literarischen Kosmos der Vorlage in die eigene Welt zu übertragen. Eine Aufgabe, die vor allem deshalb reizvoll sei, so Nicolas Mahler, "weil sie andere Hirnregionen in Gang setzt, und weil man die gewohnten Ideen und Striche aufbrechen muss, um sich auf die Vorlage einzulassen."

Die Kunst, Comics zu lesen

Das gelte im Übrigen auch für die Comic-Leser, so Kreitz. Die Gattung verlange eine andere Art der Wahrnehmung und Leseleistung als herkömmliche Standardliteratur, etwas, was viele erst lernen müssen, so Kreitz: "Viele Leute haben nie gelernt, Comics zu lesen. Sie lesen dann Text und Bild getrennt und behaupten, es sei die simpelste Form, eine Geschichte zu erzählen."

Auch die Positionierung von Graphic Novels in den Buchhandlungen trage maßgeblich zu ihrer marginalen Rolle bei, sind sich die Zeichner einig, meistens im hinteren Teil des Verkaufsraum, irgendwo zwischen Bildbänden und Witzbüchern. "Ich bin schon froh, dass sie nicht mehr in den Raketenaufstellern neben dem Klo stehen, sondern zumindest eine eigene Ecke haben", so Kreitz.

Nach ihnen suchen muss man weiterhin, anders als bei Neuerscheinungen in den Bereichen Krimi oder Belletristik, die einladend auf Büchertischen präsentiert werden. Wer fündig wird, entdeckt eine oft erhellende, neue Interpretation alter Klassiker, deren Stimmung, Humor und Sprache aufgegriffen und auf eine andere Kunstform übertragen werden.

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