Martin Ehrenhauser

ORF/URSULA HUMMEL-BERGER

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Die Geldroboter

Wie der automatische Hochfrequenzhandel unser Erspartes frisst und Finanzmärkte destabilisiert.

Viele Menschen haben private Pensionsvorsorgen oder Fondsanteile. Ob deren Kurs an der Börse steigt oder sinkt, liegt mittlerweile kaum noch in der Hand von Menschen, sondern von Maschinen. Die kaufen und verkaufen an den Cyber-Finanzplätzen innerhalb von Sekundenbruchteilen. Das Problem dabei: Der automatisierte Hochfrequenzhandel kann Kurse manipulieren, Finanzmärkte destabilisieren und kassiert Teile unseres Ersparten ein. Darüber hat der ehemalige EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser jetzt ein Buch geschrieben mit dem Titel: Die Geldroboter.

In seinem Buch beschreibt Martin Ehrenhauser die Begegnung mit einem Hacker, der in seiner schlichten Brüsseler Wohnung einen Laptop zum Geldroboter gemacht hat. Sein Bot, wie er ihn nennt, betätigt sich als Zwischenhändler. Er schickt täglich tausende Kauf- und Verkaufsanfragen an die Börse und macht seinen Besitzer damit reich. Was dieser Hacker im Kleinen tut, machen riesige börsennotierte Unternehmen im großen Stil: Sie handeln an 200 Finanzplätzen der Welt, mit 25.000 Finanzprodukten und das 24 Stunden täglich.

Die Gewinne von den Geldrobotern muss jemand berappen. Und das sind wir.

Zu Lasten der kleinen Anleger

Schätzungen zufolge werden mittlerweile 90 Prozent des US-Aktienhandels automatisiert durchgeführt. In der EU dürften es etwa drei Viertel sein. Die Geldroboter kassieren bei jeder Transaktion einen ganz kleinen Teil, erklärt Martin Ehrenhauser: "Nämlich die Preisdifferenz zwischen Kauf und Verkauf. Das geht zu Lasten der Versicherungsnehmer, zu Lasten der Anleger."

Eines der größten Unternehmen im Hochfrequenzhandel ist der US-Konzern Virtu Financial. Dessen Gründer, der ehemalige Militär Vincent Viola, hat sich bilderbuchmäßig vom Migrantenkind aus Brooklyn zum Börsenmogul hochgearbeitet. Angeblich soll er von 1.228 Handelstagen nur einen einzigen Tag Verlust gemacht haben, erzählt Martin Ehrenhauser. Violas Privatvermögen wird auf 1,7 Milliarden US-Dollar geschätzt und er gilt als der reichste der Geldroboterbesitzer.

Geldroboter lieben Krisen

Algorithmen treffen ihre Entscheidungen innerhalb von Nanosekunden. Die Bots lesen alle möglichen Nachrichten, die relevant für die Preise an den Finanzmärkten sein können. Zum Beispiel Tweets von Presseagenturen. Das sorgte im Jahr 2013 für größere Turbulenzen an den Börsen. Denn die syrische Befreiungsarmee hatte den Twitter Account einer US-Agentur gehackt und in einem Fake-Tweet behauptet, es habe Explosionen im Weißen Haus gegeben. "Innerhalb kürzester Zeit kam es an den automatisierten Börsen zu einer enormen Verkaufswelle, einem sogenannten Flash Crash", erzählt Ehrenhauser, "die Kurse sind extrem eingebrochen und innerhalb kürzester Zeit wieder in die Höhe geschossen. Solche Flash Crashes können von ganz kleinen Dingen, wie einem Tweet ausgelöst werden."

Die Geldroboter können selbst Kursschwankungen verursachen, betont Ehrenhauser. Als Zwischenhändler verdienen sie immer – egal ob ein Kurs steigt oder sinkt. Daher sind starke Kursschwankungen für sie grundsätzlich etwas Erfreuliches. Kursschwankungen gab es beispielsweise im Zuge der Griechenland-Krise. Ehrenhauser zitiert in seinem Buch den Eigentümer eines Geldroboters, der meinte, er hätte sich gewünscht, dass der "Faustkampf" zwischen Griechenland und Deutschland schon früher begonnen hätte. Denn der Tag des Griechenland-Referendums hätte ihm Rekordumsätze beschert.

Regulierung gefordert

Der Finanzmarkt sei ein Nullsummenspiel, betont Martin Ehrenhauser. Das heißt die Gewinne der einen müsse jemand anderer bezahlen und das seien in dem Fall die kleinen Anleger. Für die Realwirtschaft mache die Preisbildung in Millisekunden überhaupt keinen Sinn. Immer weniger Kapital fließe in langfristige und gesellschaftlich notwendige Investitionen.

Der Hochfrequenzhandel sollte stärker reguliert werden, fordert Martin Ehrenhauser. Seit Anfang des Jahres ist zwar die EU-Finanzrichtlinie in Kraft, die habe jedoch einen Schönheitsfehler: Es fehlt ein Tempolimit. Ein solches sei zwar ursprünglich geplant gewesen, im letzten Moment aber doch unter den Tisch gefallen. Was das Geschäftsmodell der Geldroboter auch empfindlich treffen würde, das wäre eine Finanztransaktionssteuer, betont Ehrenhauser, der übrigens selbst jahrelang EU-Abgeordneter war. Doch die sei auf politischer Ebene mittlerweile in weite Ferne gerückt.

Service

Martin Ehrenhauser: Die Geldroboter. Promedia Verlag 2018.

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